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Berlin: "Kultivierte Zeitverschwendung": Der eine kämpft für die Bibliothek, die andere fürs Freibad

Ach, das Prinzenbad - einfach in die Sonne flegeln und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Nichts für Sie, Sie mögen es etwas kultivierter?

Ach, das Prinzenbad - einfach in die Sonne flegeln und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Nichts für Sie, Sie mögen es etwas kultivierter? Dann gehen Sie doch in die Staatsbibliothek, da können Sie in aller Ruhe geistigen Dingen nachgehen.

Beiden Stätten der Muße ist gemein, dass sie sich mit Sparmaßnahmen den Unmut langjähriger und treuer Nutzer auf sich gezogen haben; das Prinzenbad will tatsächlich schon Ende dieser Woche die Pforten schließen. Doch die Oberen mögen nicht mit dem Widerstand gerechnet haben, den engagierte Bürger aufbringen können - aus unterschiedlichsten Motiven.

Rosa Risch etwa hat schon im vergangenen Jahr eine Aktion gegen die verkürzten Öffnungszeiten des Prinzenbades gestartet. Angespornt wurde sie durch die Gespräche, die sie als Badegast dort auf der Terrasse geführt hat und so beschloss sie, etwas zu tun. Eine Unterschriftenliste brachte es "trotz schlechten Wetters" in zwei Wochen auf 1200 Unterzeichner. Und nun in diesem Jahr wieder das gleiche Theater - "das finden wir natürlich nicht gut". Wieder schrieb sie einen Brief an die Bäderbetriebe, wieder wurden Unterschriften gesammelt.

Und all der Aufwand, weil sie morgens vor der Arbeit nicht mehr schwimmen gehen kann? Andere sind um diese Tageszeit froh, in Ruhe gelassen zu werden. "Ich mache das generell so in meinem Leben: Wenn ich etwas möchte, kümmere ich mich darum," sagt Risch und die Bäderbetriebe dürften in ihr eine zähe Gegnerin gefunden haben. Zum einen ist die 47 Jahre alte Sekretärin in einem Stadtplanungsbüro den Umgang mit Verwaltungen gewohnt, zum anderen hat ihr persönlicher Bürgerprotest in Sachen Badekultur schon Vorläufer. Hat sie doch in den siebziger Jahren schon einmal in Süddeutschland einen Baggersee "besetzt", um ihn vor Bebauung zu retten - erfolgreich. Geprägt haben sie die "Nach-68er-Jahre, in denen man einfach viel machte", sagt sie; ehedem war sie gar im Vorstand einer Partei und in der Anti-Antomkraft-Bewegung aktiv. Und schon während ihrer Lehrzeit hat sie auf Einhaltung des Jugendschutzes gepocht - und ihren Anspruch durchgesetzt: "Dinge bewegen zu können, diese Erfahrung habe ich immer gemacht." Als in der Kita der Tochter Stellen gekürzt wurden, zog sie vor das Rathaus; als in Kreuzberg die Schließung der Musikschule bekannt gegeben wurde, ist sie "hochgegangen wie eine Rakete" und organisierte Protest. Ist Rosa Risch eine Querulantin? "Wenn man das so bezeichnen will, kann man das tun", sagt sie. "Ich empfinde mich als einen Menschen, der Entscheidungen nicht einfach hinnehmen will." Politischer Protest ist dagegen nicht mehr ihre Sache - "aus den 68ern bin ich längst hinausgewachsen." Und die Aktionen für das Prinzenbad? Risch hofft, dass sie im kommenden Jahr einfach in Ruhe dort baden kann. "Das muss nicht unbedingt ein Hobby von mir werden. Ich weiß durchaus was anderes in meiner Freizeit anzufangen."

"Im Grunde", sinniert indes Reinhard Markner über sein Engagement für die Staatsbibliothek, "ist das eine kultivierte Form der Zeitverschwendung." Zwar hat auch die 1997 gegründete "Benutzerinitiative Staatsbibliothek" bewirken können, dass die Öffnungszeiten dort wieder geändert wurden, aber Markner kommen trotz dieses Erfolges resignierende Töne über die Lippen, wenn er die neuerdings eingeführten Nutzergebühren dagegen hält. Warum dann all sein Mühen?

Markner bezeichnet sich als "Bibliothekscrack" und "intensiven Nutzer" der Stabi. Wenn ihn Freunde suchen, würden sie dorthin kommen. Er promoviert über das Thema "Verschwörungstheorien im Roman", und das hat vielleicht auch mit seinem Bürgerengagement zu tun. Denn er meint: "Verschwörungstheorien produzieren nicht nur Wahnsinn".

Die Öffnungszeiten der Stabi - eine Verschwörung? In Markners Augen durchaus. Er spricht von der "Gremienpolitik, die demokratische Strukturen ausgehebelt hat", von "Kungelei". Eigentlich sei das doch alles deprimierend. Auch die Rechtschreibreform, gegen die er stritt, lasse sich als eine Verschwörung begreifen: "Ich schreibe und ich lese, also muss ich mich für die Staatsbibliothek und die Rechtschreibreform interessieren." Sein Engagement sei "Notwehr", sagt Markner: "Irgendwann muss ich sagen: wenn du jetzt nichts dagegen tust, bist du selbst schuld."

Dass Engagement nicht immer Erfolg bringt, zeigt der verlorene Kampf gegen die Rechtschreibreform, die Markner als "existenzbedrohend" empfindet. "Diesen Quatsch werde ich nicht mitmachen", kündigt Markner an - was jedoch sein zukünftiges Wirken als bewegter Bürger nicht schmälern soll. "Aber bevor ich endgültig auswandere, will ich doch noch Furore gemacht haben".

Alexander Pajevic

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