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Zwei in der ersten Reihe. Michael Martens und Carolin Huder sind die neuen Betreiber der Kammerspiele Kleinmachnow. Nicht nur viele Gäste sollen aus Berlin kommen, sondern auch Künstler: Am 12. Dezember tritt Wladimir Kaminer auf.

© Thilo Rückeis

Kultur im Kiez: Ein Kino wird zur Kulturstätte

In Kleinmachnow, kurz hinter der Berliner Stadtgrenze, wird den Kammerspielen neues Leben eingehaucht – mit Neuköllner Kompetenz.

„Lieber einmal mehr als mehrmals weniger“. Nicht das schlechteste Motto, wenn man Neuland betreten, ein Projekt anschieben, kurz: einen Neuanfang wagen will. So passt der Titel des aktuellen Buches von Dieter Moor denn auch prima zum Start eines zwar nicht neuen, doch runderneuerten Kulturortes. Am 16. November tritt der Schauspieler und Moderator in den Kleinmachnower Kammerspielen vor sein Publikum, liest „Frisches aus der arschlochfreien Zone“ – so der Untertitel seiner Notizen aus der Provinz. Und nach derzeitigem Planungsstand sieht es ganz so aus, als würde dies auch die erste Veranstaltung in den Kammerspielen unter neuer Regie. Lange Zeit sah es so aus, als sei dem traditionsreichen, 1938 eröffneten Haus, das derzeit vor allem als Kino genutzt wird, keine Zukunft mehr beschieden. Es entspricht nicht mehr dem Standard, den man heute von einem Filmtheater erwartet, allein was die Enge der Sitzreihen betrifft. Kaum vorstellbar, dass in den Saal, der heute 360 Plätze hat, ursprünglich 500 Zuschauer hineingepasst haben sollen. Auch gibt es keine brauchbare Beleuchtungsanlage für Bühnenprogramme, und auch die kleine Kneipe „Palette“ im Foyer ist längst geschlossen. Der Besitzer des Gebäudes und aktuelle Betreiber Karl-Heinz Bornemann, der das Kulturhaus von seinem Vater geerbt hatte, wollte zum Herbst aufgeben, setzte ursprünglich auf einen Verkauf an die Gemeinde. Deren Vertreter hatten dies aber im Dezember 2011 abgelehnt, abgeschreckt vom Kaufpreis und besonders der dann erforderlichen Sanierung, die, so wurde geschätzt, zwei Millionen Euro verschlingen würde. Besonders den Linken und der CDU war das zu riskant. Auch die zweite Lösungsmöglichkeit, die sich unerwartet auftat, wäre in den kommunalpolitischen Debatten fast gescheitert, im Juni dieses Jahres gab es dann aber doch grünes Licht. Als neue Betreiber hatten sich zwei Kleinmachnower empfohlen: Michael Martens, Diplomvolkswirt und Filmliebhaber, sowie Carolin Huder, ehemals im Management von Max Raabe tätig und nun Geschäftsführende Gesellschafterin des Kulturortes Heimathafen Neukölln. Kaufen wollten sie nicht, sondern nur pachten. Nach einer kommunalen Anschubfinanzierung von 400 000 Euro soll sich das Haus selbst tragen, organisiert als Genossenschaft – ein Konzept, mit dem die beiden Kammerspiel-Enthusiasten nach einigen Mühen doch alle Beteiligten überzeugen konnten. Eine Komplettsanierung war auch ihnen zu teuer, sie sei aber nicht nötig, um das Haus den neuen Publikumsbedürfnissen und den Sicherheitsstandards beim Brandschutz anzupassen wie auch für andere Veranstaltungen als nur Filmvorführungen aufzurüsten – all dies unter den Einschränkungen des Denkmalschutzes, der für den gesamten Komplex gilt, nicht nur für den Urbau von 1938. Die alten Holzsitze komplett auszutauschen, ging da schon mal nicht, aber bequemer sollen sie werden. Auch eine Licht- und Tonanlage wird neu eingebaut, das Foyer durch einen Bistrobereich ergänzt und der Nebensaal ebenfalls aufgehübscht. Das Haus soll sich durch neue Fenster zur Straße hin öffnen und einladender werden, seine Atmosphäre aber erhalten bleiben. Und auch die das Obergeschoss nutzenden Musiklehrer müssen um ihre Übungsmöglichkeiten nicht fürchten. Kerngeschäft soll das Kino bleiben, mit aktuellem Mainstream-Filmen, Defa-Produktionen und anderen Klassikern, auch eine Sonntags-Matinee wird erwogen, vielleicht auch mal ein Festival – Cineast Martens setzt da auf seine gut sortierte Sammlung von 4000 Filmen. Aber auch Kleinkunst, Lesungen, Aufführungen solle es geben, der Kontakt zum Heimathafen sei da sicher nützlich, sagt Carolin Huder, schon die Moor-Lesung sei über diesen Kontakt zustande gekommen. Und am 12. Dezember kann sie Wladimir Kaminer ankündigen, der aus seinem Buch „Onkel Wanja kommt“ liest.

Im Video: Ein neues Konzept für die Kammerspiele

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Aber nicht nur Ortsfremde sollen in den Kammerspielen zu Wort kommen. „Das künstlerische Potenzial Kleinmachnows ist nicht zu verachten“, weiß die Kulturfrau, denkt an Jazzkonzerte, Theaterinszenierungen – vieles sei möglich. Fehlt nur noch das Publikum: Rund 20 000 Besucher pro Jahr sind es derzeit, ein Drittel mehr müssten es schon werden, soll das Haus sich selbst tragen. Aber die beiden Kammerspieler setzen auf die 200 000 möglichen Kulturinteressierten, die es laut einer Gemeindestudie im Umkreis gebe. Die umliegenden Gemeinden haben nun mal kein Kino zu bieten, und das nächste in Berlin ist das Bali am S-Bahnhof Zehlendorf. Und nicht zuletzt soll das Modell einer Kulturgenossenschaft die potenziellen Besucher für ihr Kulturhaus interessieren und dazu beitragen, dass sie sich damit identifizieren. Die Genossenschaft ist gegründet, derzeit wird das Projekt durch den Genossenschaftsverband geprüft. Jeder Bürger kann Anteile erwerben, maximal sind 20 Stück zu 250 Euro möglich. Wenn nun also in den kommenden Monaten das Haus an Attraktivität gewinnt und das Programm wieder vielfältiger wird wie in früheren Jahrzehnten – eine Traditionslinie des Hauses soll doch nicht wieder aufgenommen werden: Nach dem Krieg gab es dort sogar Boxveranstaltungen. An solche Vergnügungen ist nicht mehr gedacht.

Kammerspiele Kleinmachnow, Karl-Marx-Straße 18, www.kleinmachnow-kammerspiele.de sowie neue-kammerspiele.npage.de und www.facebook.com/neuekammerspiele. Die künftigen Betreiber laden alle Interessierten am Donnerstag, 13. September, um 20 Uhr zu einer Infoveranstaltung im Rathaussaal Kleinmachnow.

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