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Berlin: Kulturbrauerei: Zwischen Multikulti und Multiplex

Einst war das Backsteintürmchen Schönhauser Allee Ecke Sredzkistraße so eine Art Wegweiser in das Kulturzentrum. Der Franz-Club saß hier, ein schon zu DDR-Zeiten legendärer Jugendclub.

Einst war das Backsteintürmchen Schönhauser Allee Ecke Sredzkistraße so eine Art Wegweiser in das Kulturzentrum. Der Franz-Club saß hier, ein schon zu DDR-Zeiten legendärer Jugendclub. Heute wirbt an derselben Stelle auf den sandgestrahlten Klinkersteinen des alten Industriebaus ein bayerischer Biergarten für sich. Der Konzert-Club ist ausgezogen. Ein Schilderwechsel mit Symbolcharakter.

Aus der alternativen Kulturbrauerei des Nachwende-Ost-Berlins ist eine "Kulturmaschine" geworden, mit Multiplexkino, Tiefgarage, Kneipen und Büros für Dienstleistungsfirmen. Sie gilt inzwischen als Standortfaktor für die sich in Prenzlauer Berg ansiedelnde New Economy. Zehn Jahre ist es nun her, dass ein paar Leute auf die Idee kamen, das etwa 40 000 Quadratmeter große Brauereigelände im damals wilden Osten für die Kultur zu nutzen. Mit Galerien, Ausstellungsräumen und der Konzertbühne "Alte Kantine" begründeten sie das Kulturzentrum. Ein Geburtstag, den die Kulturbrauerei vom 18. bis zum 20. Mai mit einem Festival unter dem Titel "Hopfen und Malz" feiern. So hieß das erste Open-Air-Konzert, mit dem alles begann.

Heute ist die Anlage fein herausgeputzt. Gelbe und rote Backsteine der frisch sanierten Remisen, Türmchen und Lagerhallen strahlen in der Maisonne. Beschriftungen wie "Maschinenhaus II", "Flaschenbierabteilung" oder "Lastauto-Garage" an den Fassaden erinnern an die alte Schultheiss-Brauerei. Der große Hof wirkt wie eine Oase im Vergleich zur viel befahrenen Schönhauser Allee. Gäste sonnen sich auf der Terrasse des Soda-Clubs. Ein Künstler bemalt ein Transparent für die Geburtstagsfeier. Touristen schlendern über das Gelände, das bei großen Veranstaltungen bis zu 8000 Menschen täglich besuchen.

Als gelungene Wiederbelebung eines alten Industriestandorts, den man international vorzeigen könne, sieht Hans Estermann von der Wirtschaftsförderung das Projekt. Hier zeige sich, dass Kultur und Kommerz kein Gegensatz sei. Orte wie die Kulturbrauerei seien wichtig für die Stadt. An einer Ansiedlung interessierte Firmen sagten ihm immer wieder: "Am Standort muss rundherum etwas los sein."

Auch die, die damals mitverhandelten, als es losging, finden lobende Worte: Peter Sauerbaum, der Anfang der 90er für den Senat arbeitete, und der Ostkultur unter die Arme greifen sollte. Gert Sielaff, der als Geschäftsstellenleiter des Eigentümers Treuhandliegenschaft-Gesellschaft (TLG) das Gelände "verwertete". Aber auch Senatsrat Jörg-Ingo Weber, der heute mitzuentscheiden hat, wer von den vielen freien Kultureinrichtungen der Stadt wieviel Geld bekommt. An ihn und an die TLG richten sich die Wünsche, denn Förderungen müssen immer wieder neu beantragt werden und die niedrige Miete ist nur bis 2011 vereinbart. Doch was passiert danach? "Jegliche Form von Versprechung wäre eine Lüge", sagt Weber. Der Senat versuche, "das zu bewahren, was vorhanden ist".

Leute der ersten Stunde betonen immer wieder, dass die eigentliche Kulturbrauerei nur einen etwa 8000 Quadratmeter großen Teil des Ganzen ausmache. Sie bestehe zum Beispiel aus der "Alten Kantine", der Galerie im Pferdestall und dem Kesselhaus, wo Untermieter Sat 1 Anfang der 90er Jahre "Einspruch" produzierte. Der Soda-Club, das Village-Kino, der Biergarten und ein Minimal-Supermarkt sowie etliche Mieter aus der Medienbranche, die weitaus mehr Fläche belegen, kamen erst nach der 1998 begonnenen Sanierung.

Zuviel Gewerbe vergraule das Kulturvolk, wurde kritisiert. Geschäftsführer Joachim Sommermeier sagt hingegen, es kämen sogar mehr Besucher. Der gegenseitige Nutzen von Kultur und Gewerbe, den man sich versprochen habe, entwickle sich "sehr zögerlich", er sei aber "deutlich spürbar".

Tobias Arbinger

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