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Schotten dicht. Die Container sind seit Ende der Woche zu. Der Bezirk bemängelt, dass Grundstückseigentümer und Vermieter keine Baugenehmigung einholten.

© DAVIDS/Michael Huebner

Kulturkonflikt: Checkpoint Charlie entzweit rot-schwarze Koalition

Die CDU hat gegen das geplante Museum des Kalten Krieges gestimmt und startet nun einen eigenen Ideenwettbewerb. Das ärgert die SPD, die für das bisherige Konzept kämpfen will. Die Koalitionspartner befinden sich inmitten eines Kulturkonflikts.

Um die Gestaltung des Areals rund um den ehemaligen Checkpoint Charlie ist ein Kulturkampf zwischen den Regierungsparteien SPD und CDU entbrannt. Am Freitagabend lehnte der Landesparteitag der CDU die bisherige – von der SPD favorisierte – Planung für das historische Gelände Friedrich-, Ecke Zimmerstraße offiziell ab. Die Union „bezweifelt, dass das von der Senatskulturverwaltung mit Steuergeld geförderte Museum des Kalten Krieges mit seiner „Einstiegsbox eine tragfähige und angemessene Lösung für den Checkpoint Charlie darstellt“, heißt es in der vom Parteitag verabschiedeten Erklärung. Am Sonnabend wollen den geschichtlichen Ort dermaßen viele Touristen sehen, dass Autofahrer dort angesichts der Massen fast Schrittgeschwindigkeit fahren – oder entnervt Gas geben.

Kichernde Jugendliche posieren vor jüngst bemalten Mauerteilen, Reisebusse stauen sich, Urlauber kaufen fliegenden Händlern Militärmützen als Erinnerung ab. „Das ganze Souvenirangebot überrumpelt einen aber“, sagt Daniel Barth, 38, aus dem Emsland. „Der Ort schafft es nicht, einem bewusst zu machen, was hier früher passiert ist.“ Das sieht auch die CDU so. „Angesichts des trostlosen Zustandes“ beschloss die Union einen Ideenwettbewerb, bei dem Bürger Vorschläge machen können, wie das Areal am Checkpoint Charlie gestaltet werden soll. Außerdem soll der geplante Umzug des Alliierten-Museums von Zehlendorf zum alten Flughafen Tempelhof dafür genutzt werden, dieses Museum zu einem „Museum der Freiheit“ weiterzuentwickeln, in dem Ost-West-Konflikt und Kalter Krieg stärker behandelt werden.

Der Checkpoint Charlie in Bildern

Der Koalitionspartner reagiert auf die Ablehnung des geplanten Museums am Checkpoint Charlie verärgert. „Wir werden dafür kämpfen, dieses Museum an diesem Ort zu bekommen“, sagt die kulturpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Britte Lange. Derzeit steht ein „Black Box“ genannter und vom Land finanzierter temporärer Veranstaltungsbau auf dem Grundstück östlich der Friedrichstraße. Er ist ein Vorläufer des bislang vom Senat geplanten Museums zur Ost-West-Konfrontation, das im Erdgeschoss eines langfristig vorgesehenen Neubaus eingerichtet werden soll.

Der argentinischen Touristin Marta Pozas sind die Infotafeln an den Innenwänden des Black-Box-Areals jedenfalls zu dürftig, „um die Geschichte nachvollziehen zu können“. Die Architektin würde hier ein deutsch-deutsches Museum errichten mit modernen Bildschirmen und Verbindungsbrücke zum Containergelände mit einem „Park zum Ausruhen“. Irische Urlauber finden das Gelände „desorganisiert, es wirkt wie eine Baustelle“. Sie wünschen sich ein „Visitor Center“ wie in den USA. Ab Mitte Juni sollen in der Black Box Veranstaltungen stattfinden, im Landeshaushalt 2012 sind dafür 100 000 Euro veranschlagt. SPD-Politikerin Lange: „Das wird auch so realisiert.“

Die CDU will den Ort anders nutzen und findet das Checkpoint-Charlie-Museum eine Ecke weiter südlich ausreichend, es habe sich als „international anerkanntes und erfolgreiches privat finanziertes Museum“ etabliert. Eine Stockholmerin sagt indes, sie finde das Museum „ziemlich chaotisch“. Die temporäre Nutzung des Areals westlich der Friedrichstraße durch Imbisscontainer missfällt der Union. Diese hat der Bezirk jetzt schließen lassen, weil sie ohne Baugenehmigung errichtet wurden. „Wir können uns aber eine repräsentativere Zwischenlösung mit Gastronomie vorstellen“, sagte Baustaatssekretär Ephraim Gothe (SPD). Am Sonnabend stehen Touristen enttäuscht vor den sechs silberfarbenen, gläsernen Snackcontainern. Bubble-Tee, Asiagerichte, Currywurst – alles nicht zu haben, die Rollläden sind heruntergelassen. Stefano Pieroni, 32, und Pierpaolo Pietrini, 33, aus Mailand sind frustriert, dass niemand mehr die Fahrräder vermietet. „Klar, ästhetisch überzeugen die Pavillons nicht, aber der Service muss doch trotzdem geboten werden.“

Der Kern des Kulturkonflikts um diesen Ort ist offenbar ideologischer Natur. Die noch von der rot-roten Koalition beschlossene Würdigung des Checkpoints als einem der zentralen Orte des Kalten Krieges zwischen den USA und ihren Verbündeten einerseits und dem Warschauer Pakt andererseits war der CDU schon lange suspekt, da sie eine Relativierung der Verantwortung für die deutsche Teilung befürchtete. „Für einige CDU-Politiker ist alles, was ihren verengten Blick auf die Mauer aufweitet, Teufelszeug“, sagt der Linken-Kulturpolitiker Wolfgang Brauer spöttisch. Deswegen habe sich die Union mit der SPD im Parlament immer wieder über den Begriff Kalter Krieg im Zusammenhang mit dem Checkpoint Charlie gestritten. Die SPD hofft jetzt, die Kritiker in der Koalition doch noch für das Projekt gewinnen zu können. Die SPD-geführte Kulturverwaltung hofft ebenfalls auf Einigung. Die bisherige Planung und der Ideenwettbewerb der CDU „müssen sich nicht ausschließen“, sagt Torsten Wöhlert, der Sprecher von Kulturstaatssekretär André Schmitz.

Der irische Tourist Lanre Animashaun hätte den Ort gern „möglichst authentisch“. Er bedauert, dass keine Original-Grenzanlage stehen blieb.

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