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Rembrandt

© Jörg P. Anders

Kunst: Rembrandts Geheimnis

Gerald Schultz geht alten Gemälden mit Röntgenstrahlen auf den Grund. Das zeigt jetzt eine Ausstellung in der Gemäldegalerie.

Am deutlichsten wird die Methode, Geheimnisse ans Tageslicht zu bringen, bei Rembrandts „Joseph und die Frau des Potiphar“: Links jenes Gemälde, auf dem sich die Frau Potiphar auf ein weißes Bett lehnt, während sie mit ihrem Mann spricht, und rechts eine in manchen Details veränderte Szene. Bemerkenswert ist hier der Kopf eines bärtigen älteren Herrn oben rechts. Der Mann erscheint wie ein Geist, er passt überhaupt nicht ins Bild. Und Rembrandt konnte an seiner Staffelei im Jahre 1655 gewiss nicht ahnen, dass mehr als 350 Jahre später die Kunstwelt erfährt, was sich unter seinem Original verbirgt. „Das war ein komplett anderes Gemälde. Vielleicht handelte es sich um eine Skizze, vielleicht hat es dem Auftraggeber nicht gefallen, womöglich hatte der auch kein Geld“, sagt Gerald Schultz. „Jedenfalls war Leinwand teuer – und Rembrandt hat einfach den alten Untergrund mit einem neuen Gemälde übermalt“. Der Mann, der das in unverfälschtem Berlinisch erklärt, ist so eine Art Chefaufklärer und Hintergrundenthüller von Bildern aller Art. Gerald Schultz hat vor 40 Jahren, am 1. März 1967, in Dahlem damit begonnen, die alten Meister zu röntgen, das heißt, durch sie hindurchzublicken. In der Ausstellung „Der Blick durch die Bilder: Alte Meister geröntgt“ in der Gemäldegalerie kann man jetzt die Arbeiten von Gerald Schultz bewundern.

Der Röntgen-Fotograf ist ein gefragter Mann in den Museen der Welt, er selbst bezeichnet sich als Handwerker. „Virtuose der Röntgenaufnahmen“ nannte ihn Donnerstagabend Gemäldegalerie-Direktor Bernd Wolfgang Lindemann bei der Eröffnung der Ausstellung.

Röntgenaufnahmen von Gemälden sind Blicke durch die Bilder hindurch, sichtbar gemacht werden tiefer liegende Strukturen, einzelne Züge der Malerei, sofern sie dem Strahl der Kathodenröhre Widerstand bieten und sich deshalb auf den mittels Röntgenstrahl belichteten Filmen abzeichnen. Die Röntgenaufnahme gewährt so Einblicke in tiefer liegende Malschichten und macht Veränderungen sichtbar, die der Künstler bei seinem Schaffensprozess vorgenommen hat. Elf Beispiele mit dem bunten Originalgemälde und schwarz-weißen Röntgenbildern hängen in der Studiengalerie, und die sichtbaren Veränderungen geben dem Kunsthistoriker neue Rätsel auf: Warum hat der Meister die Stellung der Hand oder die Lage eines Tuches über dem nackten Bauch der ruhenden Venus geändert? Wieso lässt Battista Luteri beim Spiel seiner Venus mit den Amoretten die Sonne aufgehen, um sie dann doch zu übermalen und durch einen hellen Schein zu ersetzen?

In vierzig Jahren gab es dank Röntgens Strahlen und Schultz’ Techniken manch spektakuläre Erkenntnisse. An erster Stelle steht da wohl, dass Rembrandts berühmter Mann mit dem Goldhelm gar nicht von Rembrandt gemalt wurde: Die Röntgenaufnahme enthüllte, dass die für die Wiedergabe des bärtigen Gesichts angewandte Maltechnik sich fundamental von der gesicherter Rembrandtbilder unterschied. Ist denn bei dieser Röntgentechnik mit neuen Überraschungen zu rechnen, Herr Schultz? „Immer!“

Die Ausstellung in der Gemäldegalerie am Matthäikirchplatz 4 geht bis zum 28. Oktober. Offen ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr.

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