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Berlin: Kunst statt Kippen

Studenten bauen die frühere Garbaty-Zigarettenfabrik zur Ausstellungshalle um

Eingeworfene Scheiben, bunte Graffiti und ein verwilderter Vorgarten: Elf Jahre Leerstand sind an der ehemaligen Garbaty-Zigarettenfabrik in der Hadlichstraße 44 nicht spurlos vorübergegangen. Vor der Wende produzierte die VEB Garbaty hier die Club Zigarette. Tim Berge (28) und Mark Niehüser (31), Architektur-Studenten der Universität der Künste, haben die Wiederbelebung des alten Industriebaus zu ihrem Diplomarbeitsthema erklärt.

„Wir machen aus den riesigen Räumen eine Kunsthalle“, sagt Tim Berge. Ab dem 2. Juli stellen über hundert Künstler aus Berlin, Frankfurt und dem Rest der Welt Bilder und Installationen aus. Im Hof, um den sich die vier Geschosse wie ein Donut gruppieren, gibt es Konzerte und Partys. Im Mai und Juni sind Peaches und Maximilian Hecker aufgetreten.

Mit der Zwischennutzung von alten Gebäuden kennen sich Tim Berge und Mark Niehüser aus. Seit zwei Jahren betreiben sie mit fünf Freunden das Rio, einen Club in einem ehemaligen brasilianischen Restaurant an der Chausseestraße in Mitte. Doch während die Verhandlungen mit den Ämtern in Mitte schwierig waren, empfing man sie in Pankow mit offenen Armen. „Wir hoffen, dass unser Projekt den Bezirk auch für andere Kreative attraktiv macht“, sagt Tim Berge.

Auch ihre Professoren von der Universität der Künste ließen sich schnell von dem Projekt überzeugen. „Bei zwölf Prozent Leerstand ist es immer häufiger die Aufgabe von Architekten, bestehende Räume umzugestalten“, sagt Mark Niehüser. Das gilt nicht nur für denkmalgeschützte Industriebauten wie die Garbaty-Zigarettenfabrik, sondern auch für moderne Bürohäuser.

Die Idee zu der Kunsthalle kam Mark, Tim und seiner Freundin Anna Schläger gleich bei der ersten Besichtigung auf Einladung des Besitzers. Durchs Studium und den Club kannten sie viele Künstler. Einer der ersten, der seine Arbeiten nach Pankow brachte, ist der australische Installationskünstler Dominik Wood. Mit 23000 Quadratmetern im Hauptgebäude und im Speicher ist die Fläche größer als der Palast der Republik. „Auch die über hundert Künstler werden den Raum nicht füllen“, sagt Mark Niehüser. „Hier herrscht der Luxus der Leere.“

Am 16. Juli wird die Ausstellung abgebaut. Danach sollen Theatergruppen und ein Festival für elektronische Musik in der Kunsthalle auftreten. Seit Januar haben die Studenten zusammen mit Künstlern und Handwerkern Schutt abtransportiert, Böden gekittet und Wasserrohre verlegt. Der Eigentümer finanziert einen Teil der Bauarbeiten, Geld kommt über die Veranstaltungen in die Kasse. „Wir haben viele Künstler in unserem Freundskreis“, sagt Mark. Wie dieses weitverzweigte Netzwerk funktioniert, das am Ausbau der Kunsthalle mitwirkt, wird ein Teil der Diplomarbeit sein.

Lofts, Designhotels, Büros: Keine Idee von Investoren für den Sitz des einst jüdischen Familienbetriebs aus dem Jahr 1906 ging auf. Lärmende Flugzeuge, die nach Tegel fliegen, und das Image von Pankow als Randbezirk standen entgegen. „Dabei sind es vom Alex nur wenige Stationen zum Bahnhof Pankow“, sagt Tim Berge. Am 1. Juli geben die angehenden Architekten ihre Diplomarbeit ab. Einen Tag später öffnet die Ausstellung. Auch Thomas Garbat, der 75-jährige Enkel des früheren Fabrikbesitzers, will sie sich ansehen. Seine Familie wurde von den Nazis enteignet und emigrierte 1938 in die USA.

1. bis 16. Juli, Di. bis So. 15-20 Uhr, Eintritt fünf Euro, ermäßigt drei Euro. Weitere Infos unter www.khbp.de

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