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Haus Schöneweise

© dpa

Kunstprojekt: "Schönstes Obdachlosenheim der Welt"

Wohnen mit Kronleuchter: Ein Kunstprojekt im Berliner Stadtteil Schöneweide vermittelt Obdachlosen einen Hauch von Luxus. Das Wohnheim für Suchthilfe ist üppig ausgestattet - den Bewohnern soll so ein positiverer Blick auf das Leben vermittelt werden.

In Berlin leben Obdachlose seit dieser Woche unter Stuck und Kronleuchtern. Ihr ungewöhnlich aufwendig renoviertes Wohnheim im Stadtteil Schöneweide ist ein Kunstprojekt, das aus Spendenmitteln finanziert wurde. Konzeptkünstlerin Miriam Kilali will entwurzelten Menschen auf diese Weise Respekt und Würde zurückgeben. Unter dem Dach des Diakonischen Werkes nennt sich das Haus das "schönste Obdachlosenheim der Welt". Eine Neiddebatte befürchten die Sozialarbeiter nicht. Das hübsche Heim solle eher zum Nachdenken über das Leben und die Bedürfnisse gestrandeter Menschen anregen.

Beste Lage ist es nicht, das schönste Obdachlosenheim der Welt. Nahe dem S-Bahnhof Schöneweide steht es als unscheinbarer Altbau mit schmutziggelber Fassade im eher ärmlichen Kiez, mit dem Getöse einer sechsspurigen Straße vor der Haustür. Die neue Schönheit des Hauses offenbart sich dem Besucher erst im Inneren. Durch den hohen Hausflur mit Kronleuchtern, Pilastern und Tapeten samt Goldbordüre fällt der Blick in den Garten. Abgeschliffene Holztreppen mit dunkelrotem Sisalteppich führen in die oberen Etagen. Im Gemeinschaftsraum stehen moderne rote Ledersofas auf Parkettboden. Bilder mit Goldrahmen zieren die Wände.

Begehbares Kunstwerk

Von einem "Überraschungseffekt" spricht Künstlerin Kilali, die bereits eine Notunterkunft in Moskau umgestaltet hat. "Es soll einfach üppig aussehen", sagt sie. Das ganze Haus versteht sie als begehbares Kunstwerk. Es sei wie ein großes Gemälde, dessen äußerer Glanz die traurigen Schicksale seiner Bewohner nicht verbergen solle. "Haus Schöneweide" ist ein Wohnheim der Suchthilfe. Hier leben schwere Alkoholiker, die zu einer Therapie nicht mehr fähig sind. Manche haben Demenzen, andere Leberkrankheiten oder Krebs. Nur wenigen gelingt es, aus ihrem Teufelskreis herauszukommen. Hier leben 20 Männer. Sie sprechen leise. Es sei ein besseres Gefühl, so zu wohnen, sagt einer von ihnen. Aber schwer sei es trotzdem, das Leben.

Luxus ist für diesen Ort kaum das richtige Wort. Die kleinen Zimmer der Bewohner sind mit gebrauchten Möbeln gefüllt. Ausgezehrte Männer stehen an den Türen und erlauben einen Blick auf ihre Stofftiersammlung. Es riecht nach kaltem Zigarettenrauch und süßlichem Alkoholdunst. Drei Bier am Tag sind jedem Bewohner erlaubt, sonst ginge es gar nicht. Die Männer zwischen Ende 30 und Ende 60 haben durch ihre Sucht Arbeit, Familie und Freunde verloren. Viele lebten auf der Straße, bevor sie hier ihr Zimmer bezogen. Ganz einfach ist das ohnehin nicht. Für "Haus Schöneweide" gibt es eine Warteliste. Wer einziehen will, muss auch die Hausregeln beachten. Oberste Gebote: keine Gewalt - und keine harten Drinks.

"Die traurigen Lebensgeschichten gehen mir an die Nieren", sagt Sozialarbeiterin Nadine Saftig. Sie glaube nicht, dass die hübsche Umgestaltung des ehemaligen Monteurhotels bei Besuchern Neidgefühle auslöse. 116.000 Euro aus Spendenmitteln hat die Renovierung bisher gekostet, weitere Gelder sollen noch investiert werden. Beim Umbau haben auch die Bewohner nach ihren Möglichkeiten mitgeholfen. Nadine Saftig findet es nun motivierender, unter Kronleuchtern zu arbeiten. "Vorher sah es hier aus wie in einer Fleischerei", sagt sie. Das Diakonische Werk hofft, dass ein Funke der äußeren Hülle auf die Bewohner überspringt - vielleicht ein positiverer Blick auf das Leben.

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