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Ladenschluss: Offener Streit um den offenen Sonntag

Berlins Regelung zu den Shoppingzeiten ärgert die Kirchen. Das Verfassungsgericht muss jetzt entscheiden.

Nach dem Streit um den Religionsunterricht geht am Dienstag die zweite große Kontroverse zwischen dem rot-roten Senat und den Kirchen in eine entscheidende Runde. Dann verhandelt der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts über die Klage der evangelischen Landeskirche und des katholischen Erzbistums gegen den Sonntagsverkauf in Berlin. Der noch amtierende Landesbischof Wolfgang Huber und Kardinal Georg Sterzinsky werden bei der Verhandlung in Karlsruhe auf Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) treffen, die das Land Berlin vertritt. Ein Urteil der Verfassungsrichter ist vor der Sommerpause des Gerichts jedoch nicht mehr zu erwarten.

Im November 2006 hatte der Senat die Ladenöffnungszeiten weitgehend freigegeben. Seitdem darf von montags 0 Uhr bis sonnabends 24 Uhr rund um die Uhr verkauft werden, gleichzeitig sind jährlich zehn Öffnungen am Sonntag möglich. Vier Termine zu besonderen Anlässen setzt der Senat, außerdem darf an den vier Adventssonntagen verkauft werden, zwei weitere Daten dürfen sich die Geschäftsleute selber suchen. Damit hat die Stadt Berlin bundesweit die weitestgehenden Möglichkeiten zum Sonntags- Shopping. Die beiden Kirchen sehen darin einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlich garantierten besonderen Schutz des Sonntags, der schon nach der Weimarer Verfassung ein Tag „der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung“ sein soll.

Es könne nicht sein, dass ein Landesgesetz ein Verfassungsrecht aushebele und schleichend aufhebe, sagt Stefan Förner, Sprecher des Erzbistums. Der Schutz des Sonntags sei ein hohes Gut. Für die Gesellschaft sei es wichtig, einen Tag zu haben, an dem der Rhythmus des Geschäftigen unterbrochen werde und nicht alles gleichförmig laufe. Selbst wenn es in anderen Bereichen – beispielsweise im Gesundheitswesen – die Notwendigkeit gebe zu arbeiten, müsse man dieses nicht unnötig ausweiten. „Der Sonntag ist der Tag, an dem man anders sein kann“, sagt Volker Jastrzembski, der Sprecher der evangelischen Landeskirche. Es gelte, die Kultur des Sonntags zu erhalten.

Laut Gesundheitssenatorin Lompscher ist der Schutz des Sonntags dennoch sehr wohl gegeben. Man habe den vorher herrschenden „Wildwuchs“ bei den Öffnungen beseitigt und klare Regelungen für alle geschaffen. „Es sind weitaus weniger Sonntage geöffnet als früher“, sagt die Linkspolitikerin. Vor der Liberalisierung der Verkaufszeiten konnten die Bezirke auf Antrag Sonderöffnungen genehmigen. Der Senat sieht auch keinen Interessenskonflikt mit den Kirchen, da die Geschäfte nur in der Zeit von 13 bis 20 Uhr öffnen dürfen, ein Kirchgang vorher also möglich ist. Die Senatswirtschaftsverwaltung für Gesundheit verweist darauf, dass die Sonntage vor allem von den Geschäftsleuten in den großen Zentren und an touristischen Standorten genutzt werden.

Auch der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg, Nils Busch-Petersen, wird am kommenden Dienstag in Karlsruhe sein. Die Sonntage würden gut von den Kunden – Berliner und Touristen gleichermaßen – angenommen. „Es hat sich auch gezeigt, dass es nicht zu einer massiven Verschiebung zwischen Berlin und Brandenburg gekommen ist“, sagt Busch-Petersen. Außerdem stoße der Sonntag bei den Beschäftigten im Einzelhandel durchaus auf Akzeptanz.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die ebenfalls die Zulässigkeit der Sonntagsöffnungen juristisch überprüfen lassen wollte, hatte zwei Beschäftigte bei ihren Klagen vor dem Berliner Verwaltungsgericht unterstützen wollen. Der Arbeitgeber sicherte jedoch den Betroffenen zu, niemals am Sonntag arbeiten zu müssen. Daraufhin war die Klage der Beschäftigten hinfällig. Eine Entscheidung blieb also aus – was die Verdi-Handelsexpertin Erika Ritter durchaus bedauert. Sie nennt es „eine Falle“ der Arbeitgeber, der Gewerkschaft so die Klagemöglichkeit zu entziehen. Denn Verdi selber kann nicht gegen das Gesetz vor Gericht ziehen.

Die nächsten Öffnungen an Sonntagen gibt es übrigens am 4. Oktober (nach dem Tag der Einheit), am 8. November (vor dem 20. Jahrestag des Mauerfalls) und im Advent. Sigrid Kneist

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