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So romantisch stellte sich eine Agentur die Länderhochzeit vor – und wollte vor Jahren mit diesem Motiv dafür werben.

© Die Brandenburgs/promo

Länderfusion mit Tücken: Berlin muss lernen, mit Brandenburg auf Augenhöhe zu diskutieren

Das Konzept der Stiftung Zukunft Berlin für eine Fusion von Berlin und Brandenburg stößt auf Wohlwollen und Kritik. Dreh- und Angelpunkt der Diskussionen ist der Umgang mit den Berliner Schulden.

Berlin als normale Großstadt im Land Brandenburg, von einem Teil seiner Schuldenlast befreit durch den Bund? Das Konzept für ein vereinigtes Land unter veränderten Vorzeichen, das die Stiftung Zukunft Berlin im Tagesspiegel am Sonntag vorgestellt hat und an diesem Montag in Potsdam präsentieren will, stößt in der Politik durchaus auf Wohlwollen – und auf Kritik.

Der langjährige Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestags, Otto Fricke, der mit der FDP jetzt aus dem Parlament geflogen ist, ist überzeugt, dass eine kommende große Koalition im Bund zumindest Teile der Vorschläge umsetzen wird. Durch eine Übernahme der Berliner Schulden, die durch seine Hauptstadtgeschichte entstanden sind, entstünden dem Bund faktisch nur Kosten durch die Zinsen; der staatliche Gesamtschuldenstand ändere sich dadurch nicht.

Berlin muss bereit sein, Einrichtungen zu schließen

Der Bund habe zudem im kulturellen Bereich bereits einen großen Teil der finanziellen Verpflichtungen übernommen – bei der Museumsinsel, dem Humboldtforum oder bei der Sanierung der Staatsoper. Selbst bei der Berlinale steuere der Bund inzwischen weit mehr Geld bei als Berlin. Dies seien bisher aber immer Einzelfälle gewesen, gegen eine regelmäßige Zahlung habe sich bisher immer der Finanzminister gewehrt. Da es aber eine Tendenz in der Politik gebe, mit der Kultur repräsentieren zu wollen, werde es zu einer Dauerfinanzierung durch den Bund kommen, sagte Fricke. Berlin müsse aber auch bereit sein, Einrichtungen zu schließen.

Kritischer sieht Fricke die Forderung der Stiftung, der Bund solle auch die Kosten übernehmen, die Berlin aus seiner Funktion als Regierungssitz entstehen – etwa bei der Sicherheit oder der Polizei. Dies könne bei anderen Ländern Begehrlichkeiten wecken, die ebenfalls Bundeseinrichtungen schützen müssten wie in Karlsruhe das Bundesverfassungsgericht, in Leipzig das Bundesverwaltungsgericht oder in Bonn den Verfassungsschutz.

Das Konzept der Stiftung Zukunft Berlin für eine Fusion von Berlin und Brandenburg stößt auf Wohlwollen und Kritik. Dreh- und Angelpunkt der Diskussionen ist der Umgang mit den Berliner Schulden.
Das Konzept der Stiftung Zukunft Berlin für eine Fusion von Berlin und Brandenburg stößt auf Wohlwollen und Kritik. Dreh- und Angelpunkt der Diskussionen ist der Umgang mit den Berliner Schulden.

© dpa

Udo Wolf, Fraktionschef der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, sieht als Kernproblem weiter die Altschulden Berlins – und lobt, „dass das jetzt endlich mal aufgegriffen worden ist“. Um seriös über einen Neuanlauf der Länderfusion oder die Eingliederung Berlins zu diskutieren, „muss sich der Bund endlich mal positionieren zu den 63 Milliarden Euro Schulden“. Die von der Stiftung vorgeschlagene Aufteilung dieser Lasten in einen „von Berlin selbst verursachten“ und einen historisch bedingten, vom Bund zu erstattenden Teil, scheint Wolf allerdings kaum realistisch. Allerdings lasse sich das Problem auch nicht aussitzen: „Man muss sich nicht der Illusion hingeben, dass Berlin es irgendwann schafft, diese 63 Milliarden über seinen eigenen Haushalt abzutragen.“

"Die Arroganz des Hauptstädters"

Neben der finanziellen sieht Wolf eine ebenso berechtigte mentale Hürde: „Berlin muss lernen, mit den Brandenburgern auf Augenhöhe zu diskutieren und nicht mit der Arroganz des Hauptstädters.“ Als schlechtes Beispiel nennt er die Konfrontation nach dem erfolgreichen Brandenburger Volksentscheid für ein strengeres Nachtflugverbot Anfang dieses Jahres: Als der damalige Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) über die Forderung der Wähler reden wollte, wurde er aus Berlin selbst von Parteifreunden brüsk zurechtgewiesen: Klaus Wowereit (SPD) warf ihm vor, „sich vom Acker zu machen“. Innensenator Frank Henkel (CDU) kündigte an, Platzeck werde sich „eine blutige Nase holen“.

Nicht nur deshalb gilt das Verhältnis der beiden Länder als stark unterkühlt. Zwar arbeiten viele Institutionen zusammen, doch vor allem in den letzten Jahren gingen Berlin und Brandenburg wieder verstärkt getrennte Wege, etwa bei den Gefängnissen, wo Berlin eine Kooperation ausschlug, oder der Bildung, wo Brandenburg aus dem gemeinsamen Zentralabitur ausstieg. Mit der rot-schwarzen Regierung in Berlin sei die Zusammenarbeit „lieblos geworden, so dass ich momentan Berlin nicht geschenkt haben möchte“, sagte Christian Görke, in Brandenburg Fraktionschef der Linken, die hier mitregieren. Nötig sei daher „zuallererst eine größere Offenheit Berlins gegenüber Brandenburg, wieder eine Bereitschaft zu engerer Zusammenarbeit“. Die Linke stehe „für eine eingetragene Partnerschaft, die perspektivisch in ein gemeinsames Land münden kann.“

Verschuldung ist Dreh- und Angelpunkt

Offen reagierten auch CDU und Grüne. Perspektivisch sei der Ansatz, dass sich Berlin ohne Landesstatus auf die Rolle als Bundeshauptstadt konzentriert, ein „interessanter“, sagt CDU-Landeschef Michael Schierack. Allerdings gebe es auch da verschiedene Möglichkeiten, neben Berlin als kreisfreie Stadt in Brandenburg etwa auch das Modell Washington D.C. Am ehesten für die Fusion sind die Grünen: „Hauptsache es kommt endlich Dampf in die Geschichte“, sagt Landtagsfraktionschef Axel Vogel. Dreh- und Angelpunkt bleibe die Verschuldung Berlins.

Dagegen winkt Brandenburgs designierte SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz ab. Der Vorstoß habe keine Chance. „Es ist eine akademische Debatte“. Ein ähnliches Modell sei bereits in den 90er Jahren debattiert und verworfen worden. Und Brandenburgs neuer Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte unmittelbar nach seiner Wahl einem gemeinsamen Land Berlin-Brandenburg längerfristig eine Absage erteilt.

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