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Berlin: Länderfusion: Rot-Rot wartet auf Signale aus Potsdam Auch Grüne und FDP in Berlin machen Druck

Streit um Finanzen und gemeinsame Verfassung

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die SPD/PDS-Koalition in Berlin will von der neuen Regierung in Brandenburg klare Aussagen zur Länderfusion. Im Koalitionsvertrag müsse „das Wann und Wie“ deutlich festgelegt werden, sagte gestern der SPD-Fraktions- und Landeschef Michael Müller. „Egal, mit wem Matthias Platzeck künftig regiert.“ Müller, aber auch der Berliner PDS-Chef Stefan Liebich, dringen auf Einhaltung des Zeitplans, den der Senat und die Landesregierung in Potsdam im April 2001 festgelegt hatten: Volksabstimmung 2006, Vereinigung der Länder 2009. Beiden Politikern ist auch wichtig, dass 2006 eine Verfassung für Berlin-Brandenburg mit zur Abstimmung steht. Der Entwurf soll von einer gemeinsamen Parlaments-Kommission erarbeitet werden.

Ist das mehr als ein Pfeifen im Walde? Auf der Pressekonferenz in Potsdam hat Ministerpräsident Platzeck gestern deutlich gemacht, dass er momentan andere Sorgen hat, als sich um die Vereinigung mit Berlin zu kümmern. In den Sondierungsgesprächen mit CDU und PDS will er das Thema nicht anspielen. Schon im Dezember 2003 hatte der SPD-Mann – angesichts der Finanzlage Berlins – die Länderfusion bis 2009 für „illusorisch“ erklärt. Damals wurde Platzeck vorgehalten, dass er aus Angst vor den Wählern auf dem flachen Land so rede.

Diese Angst muss er jetzt nicht mehr haben. Trotzdem könnte es geschehen, dass sich das schwierige Fusionsprojekt durch Zeitablauf erledigt. Auch in manchen Berliner Parteien wird heimlich darüber nachgedacht, die Volksabstimmung auf 2009/10 zu vertagen. „Wenn es bis Ende dieses Jahres keine erkennbaren Fortschritte gibt“, sagte FDP-Fraktionschef Martin Lindner gestern, „ist der Zeitplan nicht mehr zu halten.“ Die Liberalen haben schon im Juni beantragt, „nach den Landtagswahlen in Brandenburg das weitere Vorgehen zur Länderfusion“ im Abgeordnetenhaus zu beraten. Auch die Berliner Grünen machen Druck. „Es muss jetzt ganz schnell gehen“, sagte ihr Fraktionsvorsitzender Volker Ratzmann. Die Grünen fordern in einem Parlamentsantrag, „nach dem 19. September an den neuen Brandenburger Landtag heranzutreten und die Einrichtung einer gemeinsamen Verfassungskommission vorzuschlagen“.

Bei SPD, PDS und FDP stoßen sie damit auf Wohlwollen. Die Union in Brandenburg lehnt eine Verfassungskommission strikt ab. Auch der Berliner CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer ist skeptisch. „Ein Verfassungsentwurf motiviert die Menschen nicht.“ Was tun, um die Leute zu begeistern? „Eine gemeinsame Wirtschaftsförderung, ein abgestimmtes Bildungssystem, ein koordinierter Nahverkehr“, schlägt Ratzmann vor. „Vielleicht sollten wir ein Fusions-Mobil einrichten, dass über die Lande fährt.“

Das größte Hindernis für eine Länderfusion ist aber nicht die berlinfeindliche brandenburgische Provinz, sondern die Finanznotlage Berlins. Das gemeinsame Land müsste der Stadt Berlin mindestens 46 Milliarden Euro Schulden abnehmen, was nicht zu verkraften wäre. Das heißt, der Bund müsste helfen und die Länder müssten zustimmen, dass Berlin-Brandenburg auf lange Sicht das „Stadtstaatenprivileg“ behält. Das bringt der Hauptstadt 2,3 Milliarden Euro jährlich aus dem Finanzausgleich.

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