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Berlin: Laienrichterinnen mit Kopftuch

Anwaltsverein sieht Verstoß gegen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Justizverwaltung hat keine Möglichkeit, auf Kleidung einzuwirken

Von Kerstin Gehrke

und Sigrid Kneist

An Berliner Gerichten sind mindestens zwei Laienrichterinnen tätig, die ein Kopftuch tragen. Am Donnerstag saß eine 60-jährige aus der Türkei stammende Frau mit Kopfbedeckung bei einem Amtsgerichtsprozess auf der Gerichtsbank, einige Tage zuvor eine andere Schöffin in einer Kleinen Strafkammer des Landgerichts. Wie viele muslimische Frauen, die nicht auf ihr Kopftuch verzichten wollen, als Laienrichterinnen aktiv sind, konnte Arnd Bödeker, Sprecher der Justizpressestelle gestern nicht sagen. Er hält dies für absolute Ausnahmefälle. Ihm selber wie auch vielen Kollegen sei dieses Problem bisher nicht begegnet. Die Stimme der Laienrichter hat beim Urteilsspruch in einem Strafprozess das gleiche Gewicht wie die des Berufsrichters.

Für den Vorsitzenden des Berliner Anwaltvereins, Ulrich Schellenberg, widerspricht das Kopftuch der vorgeschriebenen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts. „Das Gericht muss in weltanschaulicher Sicht neutral sein“, sagte Schellenberg. „Die Schöffin ist Teil des Gerichtes und wirkt am Urteilsspruch mit.“ Aus gutem Grund gebe es die Vorschrift, dass Berufsrichter eine Robe tragen. Auch damit werde Neutralität ausgedrückt. Für die Laienrichter hingegen gebe es derartige Vorschriften nicht, sagte Andrea Boehnke, Sprecherin der Justizverwaltung: „Deswegen gibt es keine Möglichkeit, auf die Kleidung einzuwirken.“

Schöffen würden auch nicht auf ihre Eignung überprüft: „Sie sollen aus der Mitte des Volkes kommen und dieses repräsentieren. Allerdings heißt es in den Verhaltensrichtlinien für Laienrichter: „In ihrem äußeren Verhalten müssen Schöffen alles vermeiden, was geeignet sein könnte, bei anderen Personen Zweifel an ihrer Unparteilichkeit zu erwecken.“ Nach Boehnkes Angaben kann deswegen die Verteidigung durchaus einen Befangenheitsantrag stellen, wenn sie aufgrund des Kopftuches Zweifel an der Neutralität der Schöffin hat.

Da die Schöffen als Ehrenamtliche nicht dem öffentlichen Dienst angehören, wären sie auch nicht von einem möglichen Kopftuchverbot betroffen. Bis Ende März will sich nach Angaben der Innenverwaltung die SPD-PDS-Koalition darauf verständigen, wie mit dem Kopftuch verfahren werden soll. Die PDS lehnt ein generelles Verbot nach wie vor ab. Innensenator Ehrhart Körting hat jedoch in den letzten Monaten deutlich gemacht, dass er in den Bereichen Schule, Polizei und Justiz das Kopftuch strikt ablehnt.

Bisher gab es in der Berliner Justiz zwei Fälle von Rechtsreferendarinnen, die auf ihr Kopftuch bestanden. Diese durften während ihrer Ausbildungszeit bei der Staatsanwaltschaft dann allerdings nicht im Gerichtssaal sitzen und Plädoyers halten. Derzeit ist kein weiterer Problemfall bekannt.

Die Schöffentätigkeit ist ein Ehrenamt, das man allerdings nicht ohne weiteres ablehnen kann. Ein Teil der Schöffen wird über Bezirkslisten, die nach dem Zufallsprinzip auf dem Melderegister beruhen, bestimmt. Der andere Teil besteht aus Freiwilligen. Erst vor wenigen Wochen hat Justizsenatorin Karin Schubert dazu aufgerufen, sich für dieses Amt zur Verfügung zu stellen. Im kommenden Jahr werden wieder 6000 neue Schöffen für eine Zeit von fünf Jahren vereidigt. Voraussetzung ist die deutsche Staatsangehörigkeit.

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