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Berlin: Landeshaushalt: Jede Sozialwohnung ist teurer als ein Einfamilienhaus

Die Förderung des sozialen Wohnungsbaus nach dem alten West-Berliner System fällt dem Senat auf die Füße. Jetzt müssen die Jahrgänge 1987 bis 1997 nachgefördert werden: 25 150 Wohnungen, großenteils in guter Lage - zum Beispiel am Tegeler Hafen oder am Fraenkelufer.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Förderung des sozialen Wohnungsbaus nach dem alten West-Berliner System fällt dem Senat auf die Füße. Jetzt müssen die Jahrgänge 1987 bis 1997 nachgefördert werden: 25 150 Wohnungen, großenteils in guter Lage - zum Beispiel am Tegeler Hafen oder am Fraenkelufer. Um die Mieten auf einem erträglichen Niveau zu halten, werden in den nächsten 15 Jahren 3,31 Milliarden Euro aus der Landeskasse fällig. Diese Anschlussförderung ist in der Finanzplanung noch nicht berücksichtigt. Das werde "erhebliche Probleme bereiten", steht in einer Vorlage des Stadtentwicklungssenators Peter Strieder (SPD).

Die sogenannte Grundförderung der Sozialwohnungen läuft nun - nach ebenfalls 15 Jahren - schrittweise aus. Die hohen Baukosten waren bedingt durch die "besondere Lage Berlins zum Bewilligungszeitpunkt", wie die Stadtentwicklungsverwaltung erläutert. Das führte zu Kostenmieten von über 30 Mark pro Quadratmeter, die beträchtlich herunter subventioniert werden mussten. Auch wenn sich die Lage am Berliner Wohnungsmarkt entspannt hat, ist nach Einschätzung des Senats eine Anschlussförderung notwendig.

Wenn nicht, käme es zu untragbaren Mietsprüngen und Wohnungsleerstand, oder aber zu Konkursen und Zwangsversteigerungen, weil die Wohnungseigentümer die Kapitalkosten nicht mehr tragen können. In der Folge müssten das Land und der Bund mit Bürgschaften eintreten und die öffentlichen Darlehen könnten nicht zurückgezahlt werden. Im schlimmsten Fall würden für die Sozialwohnungs-Jahrgänge 1987 bis 1997 Bürgschaften in Höhe von 6 bis 7,5 Milliarden Euro fällig. Ob dann der Bund überhaupt als Rückbürge (zu 50 Prozent) in Anspruch genommen werden könnte, ist nach Meinung der Strieder-Verwaltung fraglich, "weil Berlin durch die Förderpolitik ein Mitverschulden an möglichen Insolvenzen unterstellt werden könnte".

Diese 1972 begonnene Art der Wohnungsbaufinanzierung kostet Berlin jährlich über 1,2 Milliarden Euro. Erst 1998 wurde diese Förderung eingestellt. Mit den Aufwendungsdarlehen und -zuschüssen, die der Staat pro Wohnung zahlt, ließe sich fast ein neu gebautes Einfamilienhaus finanzieren. Für die Jahrgänge 1987 bis 1989 kommen je Wohneinheit (Grund- und Anschlussförderung über 30 Jahre) knapp 220 000 Euro zusammen. Für die Sozialwohnungen 1990 bis 1997 sind es bis zu 345 000 Euro. Der Landeshaushalt wird dadurch enorm belastet.Alle Berliner Parteien fordern vom Bund, diese Verpflichtungen zu übernehmen: als "teilungsbedingte Altlast".

Begründet wird dies mit der früheren Wohnungsnot und den explodierenden Baukosten im eingemauerten West-Berlin, die hoch subventionierte, üppige Wohnungsbauprogramme zur Folge hatten. Bis 1981 gebaute Sozialwohnungen wurden ausschließlich mit öffentlichen Zuschüssen gefördert, erst die folgenden Bauprogramme zu einem Drittel über Darlehen, die zurück in die Landeskasse fließen. Bis ein Fördervertrag zwischen Investor und Land Berlin vollständig abgewickelt und alles bezahlt ist, vergehen nach Berechnungen der Stadtentwicklungsverwaltung allerdings 93 Jahre.

Jetzt muss der Senat erst einmal zusätzlich 3,3 Milliarden Euro aufbringen. Mit dem neuen "Überraschungspaket" befasst sich heute der parlamentarische Hauptausschuss. Die Finanzierung der Anschlussförderung sei "derzeit nicht sichergestellt", merkt Strieder an. Es würde nicht einmal lohnen, die Sozialwohnungen zu verkaufen, um Geld locker zu machen. Die Objekte sind sämtlich überschuldet, ihr Verkehrswert liegt bei nur 40 bis 59 Prozent der gesamten Bau- und Finanzierungskosten. Um die teure Anschlussförderung zu vermeiden, schlagen die Grünen vor, die ausstehenden Summen sofort bar an die Eigentümer zu zahlen, die Wohnungen aus der Sozialbindung zu entlassen und teilweise auch den Konkurs der Objekte hinzunehmen. Außerdem sollten die Eigentümer zur Hälfte auf die gesetzlich garantierte Eigenkapitalverzinsung verzichten. Sonst stehe der Senat in 15 Jahren wieder vor der gleichen Situation.

Pro Kopf 450 Euro

Allein die Anschlussförderung für die Wohnungsbauprogramme 1987 bis 1997 belastet den Berliner Landeshaushalt mit zusätzlich 3,31 Milliarden Euro. Auch ohne diese zusätzlichen Belastungen muss Berlin für die Wohnungsbauförderung bis 2004 jährlich 1,2 und 1,4 Milliarden Euro aufbringen. Das sind pro Kopf der Bevölkerung etwa 450 Euro; in den anderen Bundesländern sind es durchschnittlich nur 90 Euro.

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