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Den Rücken gestärkt: Florian Graf am Donnerstag mit CDU-Chef Frank Henkel bei der Fraktionssitzung.

© dapd

Landespolitik: Doktorand Graf rechnet mit Diepgen und Pflüger ab

Die Universität Potsdam gibt die umstrittene Dissertation des Berliner CDU-Fraktionschefs frei: Darin analysiert er seine Parteifreunde kritisch - und auch die SPD bekommt ihr Fett weg.

Die „Betonriege“ um Eberhard Diepgen und Klaus-Rüdiger Landowsky hat nach dem Scheitern der großen Koalition „unprofessionell“ agiert, hoffnungsvolle Anwärter auf Spitzenämter wurden in internen Machtkämpfen „verschlissen“, die gescheiterte Liaison der Berliner CDU mit Friedbert Pflüger war auf eine „exzessive“ Sehnsucht der Landespartei nach einem Hoffnungsträger von außen zurückzuführen – das sind einige der Erkenntnisse aus der Doktorarbeit des CDU-Fraktionschefs Florian Graf, die am Donnerstag von der Universität Potsdam erstmals öffentlich zugänglich gemacht wurde.

Vor eineinhalb Jahren hat Graf das 209 Seiten umfassende Werk abgegeben, bis vor kurzem war die Arbeit auf seinen Wunsch hin für die Öffentlichkeit gesperrt. Dass die Schrift mit dem Titel „Der Entwicklungsprozess einer Oppositionspartei nach dem abrupten Ende langjähriger Regierungsverantwortung“ seit Donnerstag in der Universitätsbibliothek gelesen werden kann, ist eine Folge der Plagiatsvorwürfe gegen Graf. Am Mittwoch kam der Promotionsausschuss seinem Wunsch nach, ihm deshalb den Doktortitel abzuerkennen – gleichzeitig wurde die Sperrung der Dissertation aufgehoben. So kann sich jetzt jeder Leser ein Urteil bilden, in welchem Umfang sich Graf bei anderen Autoren bediente. Die Universität hat bislang nach Grafs Angaben starke Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen mit zwei Arbeiten bemängelt, Graf selbst hat zwei weitere Stellen genannt, an denen er Quellen nicht ordnungsgemäß genannt habe. Ob dies schon alles ist, dürfte sich in den kommenden Tagen und Wochen zeigen, da die Arbeit erstmals für eine externe Prüfung zugänglich ist.

Für landespolitisch interessierte Leser birgt Grafs Dissertation, die der Tagesspiegel aus urheberrechtlichen Gründen nicht komplett dokumentieren darf, noch einen zweiten Erkenntnisgewinn. Graf analysiert nämlich kritisch, wie die Berliner CDU in der Zeit ihres Machtverlustes 2001 und in den Folgejahren agierte – und wieso es so lange dauerte, bis sie sich von der Krise erholte. Dabei referiert er größtenteils Zeitungsartikel, ein großer Teil der Kritik an Parteifreunden ist aber offenbar Grafs eigenes Gedankengut.

So erklärt er den Ansehensverlust der CDU nach dem Bruch der großen Koalition nach der Bankenaffäre unter anderem mit dem „weitgehend unprofessionellen Krisenmanagement der CDU-Führung um Diepgen“. Zur schwierigen Lage der CDU trug für ihn auch bei, dass die Partei nach dem Scheitern bei der Abgeordnetenhauswahl 2001 „keinerlei personelle Konsequenzen“ zog und an dem erfolglosen Spitzenkandidaten Frank Steffel als Fraktionschef festhielt. Kritik übt Graf auch an Parteifreunden, die durch Machtkämpfe und Streitigkeiten die Krise der Berliner CDU unnötig verlängert hätten.

Überraschende Enthüllungen oder bislang streng geheime Erkenntnisse aus der Innensicht, über die Graf dank wichtiger Parteiämter in der betreffenden Zeit in großem Umfang verfügen dürfte, erwartet man allerdings vergeblich. Dafür aber ein paar Einsichten zur SPD, die aus heutiger Perspektive wie eine Mahnung an Rot-Schwarz klingen: So sei die große Koalition damals vor allem deswegen gescheitert, weil die Partner „sich eher gegeneinander profilieren als die gemeinsamen Erfolge in den Vordergrund zu stellen“. Außerdem sei die SPD „in ihrer Gesamtheit nie an einem stabilen Bündnis mit der Union interessiert gewesen“.

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