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Am Anfang der Aufklärung: Der Berliner CDU-Fraktionschef Florian Graf.

© dapd

Landespolitik: Rot-Schwarz stützt CDU-Fraktionschef in Plagiatsaffäre

Die Berliner SPD zollt CDU-Mann Florian Graf Respekt für die Rückgabe des Doktortitels. Seine Dissertation aber bleibt vorerst geheim.

Die Reaktionen in der Berliner CDU reichen von Entsetzen, Enttäuschung und Mitleid bis zu vereinzelter Häme. Kalt lässt es derzeit kaum einen Parteifreund, was am späten Freitag über den weit über die Parteigrenzen hinaus geschätzten CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus bekannt wurde: Die Universität Potsdam verdächtigt Florian Graf des Plagiats bei seiner 2010 eingereichten Doktorarbeit. Als das öffentlich zu werden drohte, gab der 38-Jährige am Freitag seinen Doktortitel in Politikwissenschaften zurück.

„Das hat mich sehr überrascht“, sagt der Bundestagsabgeordnete und stellvertretende CDU-Landesvorsitzende Frank Steffel dem Tagesspiegel am Sonnabend. Er kenne Graf als „anständig, korrekt, geradlinig und integer“, da passe so ein Vorwurf einfach nicht ins Bild. Ähnliche Einschätzungen sind von vielen Parteifreunden zu hören. Allerdings gibt es auch die eine oder andere Stimme, die in dem Vorgang einen Beleg dafür sehen, dass der in der CDU-Spitze bestens vernetzte Graf zu faulen Tricks neigt, wenn es der Karriere dient.

Völlig unvorbereitet traf der Plagiatsvorwurf nach eigenem Bekunden auch Grafs Doktorvater, den früheren FDP-Politiker und emeritierten Parteienforscher Jürgen Dittberner. Er habe bei der Bewertung der als „gut“ benoteten Arbeit über die Entwicklung der Berliner CDU nach dem Wechsel in die Opposition 2001 „keinen Verdacht“ geschöpft, dass Graf die wissenschaftlichen Standards nicht eingehalten haben könnte. In welchem Umfang der Täuschungsverdacht der Universität Potsdam zutrifft, soll am Mittwoch der Promotionsausschuss klären. Bis dahin wollen sich weder Dittberner noch die Dekanin der Sozialwissenschaftlichen Fakultät zu Grafs Arbeit äußern.

Dass der CDU-Politiker mit einer persönlichen Erklärung an die Öffentlichkeit getreten ist, geschah offenbar auf Druck von außen. Zwar seien ihm vor einigen Wochen bei der Bearbeitung der Dissertation für einen Zeitschriftenaufsatz Zweifel gekommen, „ob ich den an mich selbst gestellten Ansprüchen auch im Hinblick auf ein Standhalten meiner Dissertation in der Öffentlichkeit gerecht werden kann“, wie es in Grafs Erklärung heißt. Die Konsequenzen zog er allerdings erst, als der Promotionsausschuss der Universität vergangene Woche den Plagiatsverdacht äußerte – was wiederum durch Anfragen von Journalisten provoziert worden war, die von Außenstehenden auf Merkwürdigkeiten bei Grafs Arbeit hingewiesen worden waren. Als die Hochschule Graf um eine Stellungnahme bat, stellte der den Antrag, ihm den Doktorgrad zu entziehen.

Wie umfangreich er sich bei anderen Autoren bedient hat und wieso er erst zwei Jahre nach Abgabe der Promotion dazu kommt, an der eigenen Arbeit zu zweifeln, dazu wollte sich Graf gestern nicht äußern. Auch gibt er nach wie vor keinen Einblick in die umstrittene Arbeit: Wegen einer bevorstehenden Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift hatte er die Veröffentlichung bis Juni dieses Jahres sperren lassen. Das ist formal zulässig, aber unüblich. Insider sehen darin ein Indiz, dass der Fraktionschef den Moment hinauszögern wollte, in dem Außenstehende seine Arbeit lesen können. Dabei wäre das Thema der Selbstfindung der Berliner CDU nach dem Gang in die Opposition durchaus für viele politisch interessierte Leser interessant. Manche Beobachter argwöhnen, vielleicht sei die Arbeit so lange gesperrt gewesen, weil Graf die Reaktionen der darin Beschriebenen fürchtete.

In seiner Fraktion stehe man „geschlossen“ hinter Graf, sagte Vizefraktionschefin Cornelia Seibeld. Er sei ein „sehr, sehr guter Fraktionsvorsitzender“. Für Donnerstagvormittag hat Graf die 38 Mitglieder seiner Fraktion zur Sondersitzung geladen, in geheimer Abstimmung sollen sie über seine Zukunft entscheiden. Beobachter erwarten eine deutliche Mehrheit zu seinen Gunsten.

Darauf hofft auch der Koalitionspartner. SPD-Fraktionschef Raed Saleh sagte zur Rückgabe des Doktortitels: „Ich habe Respekt vor diesem ausreichenden Schritt des Fraktionsvorsitzenden Florian Graf, mit dem ich sehr gut zusammenarbeite.“ Während Piraten-Fraktionschef Andreas Baum Graf indirekt den Rücktritt nahelegte, sagte der Piraten-Geschäftsführer Martin Delius: „Jemand, der ehrlich seine Fehler eingesteht, sollte eine zweite Chance bekommen.“

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