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Berliner Senat: Europa entzweit Rot-Rot

Die Linke lehnt den Lissabon-Vertrag ab - die Sozialstaatlichkeit werde nicht als "Grundwert der EU begriffen". Regierungschef Klaus Wowereit will im Bundesrat trotzdem zustimmen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Europavertrag von Lissabon, der im Bundesrat am 23. Mai zur Abstimmung steht, könnte die rot-rote Koalition in Bedrängnis bringen. Denn der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hält sich zwar öffentlich bedeckt, signalisiert aber intern, dass er im Namen Berlins zustimmen will. Notfalls gegen das Votum der Linken.

„Berlin war immer gut beraten, in europäischen Fragen im Zusammenklang mit den anderen Ländern aufzutreten“, hatte Wowereit schon am 28. Februar in der Fragestunde des Abgeordnetenhauses gesagt. Alle anderen Bundesländer werden voraussichtlich, trotz mancher Bedenken im Detail, dem neuen EU-Vertrag das Ja-Wort geben. Das ist Voraussetzung für eine Ratifizierung durch Deutschland. Auch der Berliner SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller hält es „für grundfalsch, sich in dieser Frage zu verweigern“. Die Linke mache da einen großen Fehler. Das Vertragswerk sei ein deutlicher Schritt nach vorn.

Das sieht der Koalitionspartner völlig anders. „Im Sinne der breiten internationalen Bewegung gegen neoliberale und militarisierende Orientierungen des Vertrages“ wolle die Linke ein Zeichen setzen, gab der Landesvorsitzende Klaus Lederer kürzlich in einer Vorstandssitzung zu Protokoll. Und am 26. April steht das schwierige Thema auf der Tagesordnung eines Landesparteitags der Linken. Zwei Bezirksverbände haben Anträge eingereicht, die eine „Frieden sichernde, demokratische, soziale und ökologische Europäische Union“ befürworten, aber den Vertrag von Lissabon ablehnen. Begründet wird dies mit der geplanten Gründung einer „Europäischen Verteidigungsagentur“, außerdem werde die Sozialstaatlichkeit nicht als Grundwert der EU begriffen und der Vertrag sanktioniere die Abschottung gegen Asylsuchende und Zuwanderung.

Durch das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofes gegen das deutsche Vergaberecht fühlt sich die Linke in ihrer fundamentalen Kritik bestätigt. Mit einem Parteitagsbeschluss im Rücken, der den EU-Vertrag ablehnt, werden die Senatsmitglieder der Linken den Sozialdemokraten wohl nicht entgegenkommen.

Mit einem Antrag im Abgeordnetenhaus, der den EU-Reformvertrag ausdrücklich begrüßt, weil er Europa „demokratischer, transparenter und bürgernäher gestalte“, versuchen die Grünen, den Keil noch tiefer in die Koalition zu treiben. Damit kommen die Regierungsfraktionen noch zurecht, denn das Landesparlament hat keine außenpolitischen Kompetenzen. Anders sieht es beim Senat aus, der das Land Berlin im Bundesrat vertritt. Wenn sich beide Regierungsparteien nicht einigen, wie im Bundesrat abgestimmt werden soll, schreibt der Koalitionsvertrag eine Enthaltung vor. Momentan sieht es aber so aus, als wolle sich Wowereit über diese Klausel hinwegsetzen. Angeblich will er erst am Tag der Abstimmung sagen, wie er sich verhält.

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