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Berliner SPD: Rassismus-Tüv prüfte Sarrazins Sprüche

SPD-Verbände gaben ein externes Gutachten in Auftrag. Damit wollen sie den Parteiausschluss von Thilo Sarrazin begründen.

Thilo Sarrazins Gegner in der SPD haben sich externen Sachverstand geholt, um den Ex-Finanzsenator und Bundesbank- Vorstand doch noch aus der Partei werfen zu können. Ihr Mittel zum Zweck mag im konkreten Fall überraschen, ist aber in anderen Bereichen längst üblich: ein Expertengutachten. Streng wissenschaftlich und mit einem Ergebnis, das durchaus im Sinne der Auftraggeber sein dürfte, also der SPD-Verbände Alt-Pankow und Spandau. Sarrazins Aussagen im Interview mit der Zeitschrift „Lettre International“ seien „in zentralen Passagen eindeutig als rassistisch zu betrachten“, stellt der Politologe Gideon Botsch vom Moses-Mendelssohn-Zentrum der Universität Potsdam in seiner Expertise fest, die die Genossen bei ihm als bezahlte Auftragsarbeit bestellt haben.

Nach Auskunft des Spandauer SPD-Kreisvorsitzenden Raed Saleh fiel die Wahl auf Botsch, weil er ausweislich seiner bisherigen Tätigkeit ein Experte für Rassismus sei und die Außensicht eines Wissenschaftlers dem Anliegen mehr Gewicht gebe, Sarrazin aus der SPD auszuschließen. Wogegen dieser sich wehren will bis in die letzte Instanz. Zumal ihm die Kreis-Schiedskommission seines Heimatverbandes Charlottenburg-Wilmersdorf bereits recht gegeben hatte: Er habe weder parteischädigend noch ehrlos gehandelt.

Dabei gelten Sarrazin und die Vorsitzende der Schiedskommission nicht unbedingt als Freunde. Die Personalberaterin Sybille Uken war lange Jahre im Aufsichtsrat der BVG und dort zuletzt Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, von Sarrazin ernannt. Sarrazin war Aufsichtsratsvorsitzender der Verkehrsbetriebe. 2004 hatte er Uken nicht mehr berufen. Insider führten dies darauf zurück, dass Uken in dem Gremium kritische Fragen zu stellen pflegte, die Sarrazin nicht immer passten. Unter Genossen war deshalb vermutet worden, dass Uken sich an Sarrazin nun mit einem Parteiausschluss revanchieren könne. Sie selbst hat in dem Verfahren vor der Wilmersdorfer Schiedskommission aber dafür in Sarrazins umstrittenen Äußerungen keinen Anhaltspunkt gesehen. Eine Stellungnahme lehnte Uken ab.

Strafrechtlich waren die Äußerungen für Sarrazin ebenfalls folgenlos. Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft nach mehreren Strafanzeigen wurde eingestellt.

Der Gutachter Gideon Botsch stellt in einer Vorbemerkung zu seiner Expertise klar, dass er weder über die Vereinbarkeit von Sarrazins Äußerungen mit dessen SPD-Mitgliedschaft noch über zivil- oder strafrechtliche Grenzen urteilt. In seinem Gutachten gleicht er die Äußerungen über Migrantengruppen mit den gängigen wissenschaftlichen und teils sehr unterschiedlich weit gefassten Definitionen von Rassismus ab. Sarrazins Äußerungen erhielten „ihre besondere Radikalität durch die wiederholte Verneinung der Möglichkeit einer Veränderung, der daraus folgenden Verweigerung von Anerkennung, Grund- und Menschenrechten, sowie der Absage an politische Anstrengungen zur Förderung von Integration“, schreibt Botsch. Er sieht eine „bewusst als Tabubruch inszenierte Konstruktion und Mobilisierung von Vorurteilen, verknüpft mit weit reichenden – in dieser Radikalität sonst nur von antidemokratischen, rechtsextremen Parteien erhobenen – Handlungsvorschlägen an die Politik“.

Damit sieht sich Daniel Buchholz, stellvertretender SPD-Kreischef von Spandau, für die weitere Auseinandersetzung munitioniert. „Wir wollen Thilo Sarrazin nicht den Mund verbieten“, sagt er. „Uns geht es darum, dass er einigen Menschen schon fast die Menschenwürde abspricht.“ Verschärfend komme hinzu, dass Sarrazin nicht von seinen Positionen abgerückt sei, so dass die Sache nicht als Ausrutscher durchgehen kann. Dass die forcierte Auseinandersetzung mit dem schwierigen Genossen längst nicht in allen Berliner SPD-Verbänden auf Begeisterung trifft, bestreitet Buchholz nicht. Und betont, dass die Auseinandersetzung mit Sarrazin keinesfalls der Ersatz für notwendige Diskussionen zum Thema Integration sei: „Wir laufen nicht mit geschlossenen Augen durch die Stadt.“

Zum Neujahrsempfang der SPD am Sonnabend war Sarrazin übrigens nicht erschienen.

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