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CDU: Im Schatten der Grünen

Führung und Basis der CDU sind beunruhigt – die Partei kommt in den Umfragen nicht wirklich voran. Die Sorge, die gemeinsamen Anstrengungen könnten nicht reichen, bleibt.

Sie sind geschlossen wie lange nicht mehr. Keiner in der Führung der Berliner CDU redet andere schlecht. Sie haben Konzepte und Ideen für die Schul- und die Wirtschaftspolitik, sie haben einen neuen Anfang in ihrem Umgang mit Migranten gemacht. Und doch ist da eine Unruhe in der Führung der Union, „eine gewisse Anspannung“, wie einer sagt – die Sorge, dass das alles nicht reichen könnte, um bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus im Herbst 2011 stärkste Partei zu werden.

Für die Unruhe, die einigen Kreischefs zufolge auch schon an der Basis zu spüren sei, gibt es zwei Gründe. Der eine heißt „die Grünen“. Der andere lautet „25 Prozent“. Mit Umfragen viele Monate vor einer Wahl ist es seltsam: Die Strategen in den Parteien nehmen sie ernst und reden sie zugleich klein. Zu den jüngst gemessenen 25 Prozent der CDU hört man aus der Führung heraus Begriffe wie „Momentaufnahme“, Thesen wie: „Entscheidend sind die letzten sechs Wochen vor der Wahl“ und sarkastische Bemerkungen à la „bei der Performance der Bundesregierung hatte ich 19 Prozent erwartet“.

Da sind 25 Prozent nicht schlecht, zumal auch die Langstrecken-Regierungspartei SPD nur 25 Prozent bekommen hat. Aber es werden eben auch nicht mehr Prozentpunkte für die CDU. Es ist, als sei mehr einfach nicht mehr drin für die ehemalige Hauptstadtpartei, von der sich die sogenannten kleinen Leute gut vertreten fühlten. Da mag man die Schwäche der SPD verdient und erfreulich finden – was nutzt es, wenn man selbst nicht aus der Hüfte kommt?

Immerhin – diese Lageeinschätzung verbindet alle, Präsidiumsmitglieder, Kreischefs und Basis. Neu an der Berliner CDU ist, dass die Sorge nicht zu Attacken auf den Chef und Machtkämpfchen im Landesvorstand führt. „Wir dürfen jetzt nicht diskutieren, jedenfalls nicht öffentlich“, sagt ein Abgeordneter. Thomas Heilmann, Präsidiumsmitglied und einer von den Modernisierern und Liberalisierern der Berliner CDU, sagt: „Vor allem bloß keine Panikreaktionen – Nerven behalten, Ruhe bewahren und nichts verändern.“

Ähnliches empfehlen auch andere Mitglieder der Führung. Keiner kommt mit der Idee, zur nächsten Abgeordnetenhauswahl abermals auf die Suche nach einem Import-Helden zu gehen, auch wenn jedem auf die Frage nach der Lösung „von außen“ serienweise Polit-Prominenz von Friedrich Merz bis Norbert Röttgen einfällt, die alle nichts Besseres vorhaben, als Spitzenkandidat für einen der kleineren CDU-Landesverbände zu werden. Doch diejenigen, die in der Berliner CDU sagen, wo es langgehen soll, haben das Desaster mit Friedbert Pflüger noch in bester Erinnerung. Sie wissen: Pflüger ist nicht allein an Klaus Wowereit gescheitert, er scheiterte auch, weil er sich zu wenig auf die Berliner CDU eingelassen hat. Da ist Frank Henkel ganz anders – so, wie sie ihn hier wollen und brauchen.

Aus Pflügers Zeit als Fraktionschef ist den heutigen Frontfrauen und -männern der Union Offenheit für die Grünen geblieben. Doch zugleich sind die Grünen für die Union eben auch ein Teil des Problems, Wowereit und seine SPD aus dem Rathaus hinauszubefördern – zumal in Bezirken, in denen es ein junges, durchaus bürgerliches Publikum mit Grünen zu tun hat, die bürgerlich daherkommen, was das Auftreten, den Lebenswandel und die Werte ihrer Mandatsträger angeht. So sind in der Berliner Politik vier Parteien auf unterschiedliche Weise fast gleich stark und für Ergebnisse von 20 bis 25 Prozent gut. Und wie die CDU vor kurzem gleichauf mit der SPD gemessen wurde, standen die Grünen nur zwei Prozentpunkte dahinter.

Die CDU-Strategen ziehen daraus zwei Schlüsse. Es wäre, erstens, Angeberei, Wahlziele à la „30 Prozent plus x“ zu verkünden. Die Ansage lautet deshalb vorsichtiger, die CDU wolle „stärkste Partei“ werden. Das hat sie in den Meinungsumfragen dieses Jahres ein paar Mal geschafft, doch von einem Trend kann man noch nicht sprechen. Zweitens sehen die führenden Leute der CDU, dass sie die Grünen sozusagen entmystifizieren müssen. Ein einflussreicher Kreischef spricht von der „Doppel-Opposition“ im Bund und in Berlin, die es den Grünen leicht mache, beim Publikum gut anzukommen. Im Wahlkampf werde es darauf ankommen, die Grünen festzulegen und klar zu machen, wer für bürgerliche Werte und Lebensentwürfe eintritt.

Stefan Evers, Ortsvorsitzender der CDU Alt-Wilmersdorf, findet die Grünen in der Politpraxis nicht so bürgerlich. Mit der SPD wollten sie einen Abenteuerspielplatz in Wilmersdorf schließen – die CDU, so Evers, sammele Unterschriften dagegen. Oder die teuren und uneffektiven „Kiezkonferenzen“, mit denen die Grünen Prioritäten für den Bezirkshaushalt festlegen wollten: „Das ist für die basisdemokratische Bürgerbeteiligung“, spottet Evers.

Lieblingsbeispiel der CDU-Strategen im Bemühen um bürgerliche Wähler ist das Gymnasium. Da wüssten viele gar nicht, was die Grünen wirklich wollten, sagen führende CDU-Abgeordnete – die Grünen wollten nämlich „langfristig“ die Abschaffung des Gymnasiums. Das will der stellvertretende CDU-Fraktionschef Michael Braun schon in Plenardebatten gehört haben. Der grüne Schulpolitiker Özcan Mutlu bestreitet das: Solange 50 Prozent der Berliner Eltern das Gymnasiums wollten, könne man es nicht abschaffen, sagt Mutlu – auch wenn die Grünen die Sekundarschulen für den besseren Schultyp hielten. Landes- und Fraktionschef Frank Henkel bleibt deshalb vorsichtig: „Ich kämpfe nicht für irgendeine Koalition, sondern für einen Politikwechsel.“

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