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DDR-Geschichte: "West-Aktivitäten der Stasi erforschen"

SPD, Linke und Grüne lehnen einen generellen Stasi-Check ab. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung ist im Parlament aber mehrheitsfähig.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Für eine systematische wissenschaftliche Aufarbeitung der Stasi-Aktivitäten im früheren West-Berlin könnte sich im Abgeordnetenhaus eine Mehrheit finden. Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann brachte den Vorschlag zuerst in die Diskussion. Wieweit die DDR-Staatssicherheit Einfluss auf das gesellschaftliche Umfeld West-Berlins genommen habe, sollte erforscht werden, sagt Ratzmann.

Die FDP-Fraktion fordert sogar, alle noch nicht ausgewerteten Stasi-Akten umfassend aufzuarbeiten, um „Belastungen von aktiven Mitarbeitern der Senatsverwaltungen und nachgeordneten Landesbehörden zu ermitteln“. Fälle von Stasi-Spionage müssten mit wissenschaftlichen Mitteln aufgeklärt, deren Auswirkungen veröffentlicht werden. Wenn Landesbedienstete nachweislich für die DDR-Staatssicherheit gearbeitet hätten, solle der Senat alle dienstrechtlichen Möglichkeiten bis zur Entlassung prüfen. Einen entsprechenden Antrag will die FDP im Landesparlament einbringen. Der CDU-Landes- und Fraktionschef Frank Henkel schließt sich dem an. Alle verfügbaren Akten sollten genutzt werden, um mit der Birthler-Behörde Forschungsprojekte zu starten. Das Ziel: den Umfang der Stasi-Tätigkeit im Westen zu ermitteln und Täter zu identifizieren. „Es gibt auch 20 Jahre nach dem Mauerfall noch Aufklärungsbedarf.“ Das bedeute nicht, die öffentlich Bediensteten im ehemaligen West-Berlin wegen des Falls Kurras jetzt unter Generalverdacht zu stellen.

Auch Tom Schreiber, Sicherheitsexperte der SPD-Fraktion, plädiert für eine „Vergangenheitsbewältigung“ mit wissenschaftlicher Hilfe. Allerdings nicht nur für West-Berlin, sondern die ganze alte Bundesrepublik. Die Bundesregierung müsse die Birthler-Behörde beauftragen und die Mittel zur Verfügung stellen. Udo Wolf, Innenpolitiker der Linksfraktion, hat gegen historische Forschungsprojekte zur Durchleuchtung der Stasi-Aktivitäten im Westen nichts einzuwenden.

Allerdings wenden sich SPD, Linke und Grüne dagegen, die Stasi-Überprüfungen „von Amts wegen“ neu aufzurollen und auf alle Bediensteten der West-Berliner Behörden auszudehnen. „Ein solcher Check von 100 000 Menschen wäre Wahnsinn“, sagt Ratzmann. Auch der SPD-Rechtsexperte Fritz Felgentreu lehnt ein „allgemeines Misstrauensvotum gegen die West-Berliner Behörden 20 Jahre nach der Wiedervereinigung“ ab. Es müssten schon, wie beim pensionierten Polizisten Karl-Heinz Kurras, konkrete Verdachtsmomente vorliegen. Das ehemalige SED-Mitglied Kurras ist übrigens nicht Mitglied der Nachfolgeparteien PDS beziehungsweise Linkspartei geworden, wird in Parteikreisen versichert.

Unterdessen hat die Berliner Staatsanwaltschaft die alten Ermittlungsakten im Fall Kurras für eine neuerliche Überprüfung aus dem Landesarchiv geholt.

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