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Familienpolitik: Rot-Rot kritisiert Kita-Volksbegehren

Die Berliner Regierungskoalition hält die Forderungen des Kita-Volksbegehrens für unrealistisch, die Wünsche seien schlichtweg nicht finanzierbar. Dennoch glauben die Initiatoren an eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus.

2400 zusätzliche Erzieher, das Recht auf sieben Stunden tägliche Betreuung für Kinder ab drei und Migrantenkinder ab zwei Jahren, einen verbesserten Betreuungsschlüssel und mehr Qualifizierungsmöglichkeiten für pädagogische Mitarbeiter: Das sind die zentralen Forderungen des Volksbegehrens "Kitakinder und Bildung von Anfang an = Gewinn für Berlin", das seit Montag der Senatsinnenverwaltung vorliegt. Doch angesichts der angespannten Haushaltslage hält die jugendpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sandra Scheeres, diese Forderungen nicht für realistisch. Sie kritisiert an dem Entwurf des Volksbegehrens vor allem, dass es nicht in Etappen denke und "alles und das sofort" wolle.

Außerdem würde der tatsächliche Finanzbedarf für die geplanten Änderungen viel höher sein als durch den Landeselternausschuss Kita in Berlin (LEAK), der das Volksbegehren initiiert hat, veranschlagt wird. Prinzipiell stimme die SPD-Fraktion den Inhalten aber zu, man wäre schon seit längerer Zeit mit dem Thema befasst und hätte bereits einige Verbesserungen wie die komplette Beitragsfreiheit ab 2011 sowie die Erhöhung der täglichen Betreuungszeit von fünf auf sieben Stunden auf den Weg gebracht. "Zurzeit diskutieren wir eine Empfehlung, die auch die von der LEAK geforderte Betreuungsfreistellung der Kita-Leiter ab einer Zahl von 100 anstelle von 160 Kindern vorsieht", sagt Scheeres.

McKinsey-Studie: Gute Vorschulprogramme steigern die volkswirtschaftliche Rendite

Bestätigt Innensenator Ehrhart Körting (SPD) die juristische Gültigkeit des Volksbegehrens, entscheidet - wie berichtet - ab Herbst das Abgeordnetenhaus innerhalb von vier Monaten über die Annahme oder Ablehnung des Entwurfs. Stimmen die Abgeordneten gegen die voraussichtliche jährliche Mehrbelastung von rund 95 Millionen Euro, müssten in einer zweiten Verfahrensstufe 170.000 Unterschriften für einen Volksentscheid gesammelt werden. Für das Volksbegehren hatten jetzt 66.181 Berliner Bürger unterschrieben. Das sind dreimal mehr als erforderlich. Der LEAK wurde dabei von Bezirkselternausschüssen, Kita-Leitern, Erzieherinnen und Elternvertreterorganisationen unterstützt.

Die starke Beteiligung am Volksbegehren, die doppelt so hoch war wie in der Frage um den Erhalt von Tempelhof, hat den LEAK-Vorsitzenden Burkhard Entrup kaum überrascht: "Das Thema ist sehr viel näher dran an den Menschen, und eine gute Vorschulbildung kommt allen zugute, auch der Volkswirtschaft." Der Rechtsanwalt verweist auf eine Langzeitstudie der Unternehmensberatung McKinsey, die belege, dass gute Vorschulprogramme die volkwirtschaftliche Rendite um bis zu zwölf Prozent steigern könnten.

Auf Bedarfsprüfung soll verzichtet werden

Mehr als 13.500 Erzieher sind derzeit vollzeit in den rund 1800 Berliner Kitas für über 107.000 Kinder da. Mit knapp 40 Prozent betreuter Kinder unter drei Jahren und jährlichen Nettoausgaben von fast 2800 Euro für ein Kind liegt das Land bundesweit an der Spitze. Überdurchschnittlich groß ist in Berlin auch die Zahl der Kinder, die aus Migrantenfamilien und bildungsfernen Schichten stammen.

Wichtig sei besonders der geforderte Verzicht auf eine Bedarfsprüfung in der Familie, da allein in Kreuzberg rund 900 Migrantenkinder lebten, die ihr Recht auf einen Betreuungsplatz nicht wahrnähmen, sagt Entrup. "In vielen Migrantenfamilien bestehen Ängste, dass ihre Angaben für die Prüfung ihres Aufenthaltsstatus' verwendet würden. Deshalb füllen sie den Antrag lieber gar nicht erst aus", sagt er.

Die SPD-Sprecherin Scheeres hingegen hält die Neuregelung, dass der Antrag nicht wie bisher auf dem Amt gestellt werden müsse, sondern nach Hause geschickt werde, für ausreichend. "Die Zugangsschwelle ist damit so niedrig wie möglich", sagt sie.

Während die kinder- und familienpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Margrit Barth, die Bedenken bezüglich der Finanzierbarkeit teilt, äußern sich die Sprecher der Oppositions-Fraktionen von CDU, FDP und den Grünen positiv. "Im Herbst müssen sich die Fraktionen nun eindeutig zu unseren Vorschlägen positionieren", sagt Entrup. "Für mich ist es sehr fraglich, ob sich im Abgeordnetenhaus eine Mehrheit für die Ablehnung unseres Entwurfes finden wird."

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