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Richtig böse. Der frisch gekürte FDP-Spitzenkandidat Christoph Meyer.

© dpa

FDP wählt Spitzenkandidaten: Fast alle für Meyer

Die FDP redet sich in Wahlkampf-Rage und macht Landeschef Christoph Meyer zum Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl. Doch entscheidend werden wohl andere sein.

Wenn er will, dann kann er richtig boshaft sein. Christoph Meyer, Fraktions- und Landeschef der momentan gering geschätzten Berliner Liberalen, hat Polemiker-Talent. Das führte er am Freitagabend genau 348 Parteifreunden vor, die zum Nominierungs- und Programmparteitag zusammengekommen waren. Nominiert wurde Meyer, und zwar zum Spitzenkandidaten seiner Partei – auch wenn deren Wiedereinzug ins Abgeordnetenhaus bei der Wahl im September momentan fraglich erscheint. Zuvor hatte der 35 Jahre alte Berufspolitiker seine Parteifreunde in Gewinnerstimmung hineingeredet.

„Wir gegen den Rest“ – so lässt sich das Selbstgefühl der hiesigen Liberalen in einem Satz zusammenfassen. Meyer teilte aus, als müsse er seine Leute aus einer Verzweiflung heraus reden, die mit Umfrage-Ergebnissen um drei Prozent zusammenhängt und mit einem Noch-Bundeschef, der die Glaubwürdigkeitskrise der FDP personifiziert. „Wir Liberale sind Optimisten“, sagte Meyer und fuhr lässig fort: „Zur FDP gehören auch hin und wieder die Krisen unserer Partei.“

So ist das wohl mit der Mentalität überzeugter Liberaler: Der Klang des Totenglöckleins in Anbetracht der Fünf-Prozent-Hürde bei Wahlen bringt wahre FDPler in Kampfeslaune. „Wir haben bereits vier sozialdemokratische Parteien in Berlin“, höhnte Meyer, um dann herauszuarbeiten, was die FDP vom Sortiment der staatsnahen Konkurrenz unterscheidet: Die Liberalen fragten eben nicht: „Was kann alles schiefgehen? Was kann der Staat noch regeln? Sie fragten, wo man dem Einzelnen mehr Freiheit zubilligen könnte.“

Bei der Suche nach dem großen Unterschied zwischen der FDP und den anderen gelangen Meyer durchaus griffige Sätze: „Eine Partei muss die Realität sehen und jenseits eines immer hektischer werdenden Zeitgeistes für Vernunft stehen – und das ist die FDP.“ Das mag die Lage der Partei nicht genau treffen – zur Autosuggestion taugt der Satz auf jeden Fall. Und da werden liberale Berliner Wahlkämpfer einige Kraft aufwenden müssen – die FDP hat keine natürlichen Verbündeten mehr, auch die CDU nicht. Die sei, so Meyer, „bekanntlich sehr kiezorientiert“, was dazu geführt habe, dass ihr Spitzenkandidat Frank Henkel in Neuköllner Kellern herumkrieche in der Hoffnung, sein Engagement gegen die Grundwasserproblematik in den südlichen Teilen von Neukölln erheische entsprechende Aufmerksamkeit.

Richtig giftig redete Meyer über die Grünen – für ihn der Inbegriff des Regulierungs- und Verbotswesens. „Keine Partei hält den Verbraucher für so minderbemittelt wie die Grünen“, sagte er. Das zeige sich daran, dass die grüne Fraktion die meisten Verbots- und Regulierungsanträge von allen ins Abgeordnetenhaus eingebracht habe – bis hin zum Bemühen um eine „flächendeckende Entschleunigung der Stadt durch eine Berlin-weite Tempo- 30-Zone“.

Die FDP, so öffnete Meyer dann die Herzen seiner Freunde für den Straßenwahlkampf, wolle Freiheit, Deregulierung, Konkurrenz, Startchancen-Gerechtigkeit – aber keine Gleichmacherei: „Unsere Lösung lautet Wettbewerb. “Von den 348 Parteitagsdelegierten sprachen sich 344 dafür aus, dass Meyer das Amt des Spitzenkandidaten übernimmt.

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