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Fraktionsaustritt: Wowereits Mehrheit im Parlament bröckelt

Nach dem Austritt einer SPD-Abgeordneten aus Fraktion und Partei ist die Mehrheit für die rot-rote Koalition geschrumpft. Der Regierende Bürgermeister sieht keinen Grund zur Aufregung. Die CDU sprach von einem politischen Erdbeben.

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Der Koalition aus SPD und Linken in Berlin droht der Verlust der parlamentarischen Mehrheit. Die SPD-Abgeordnete und frauenpolitische Sprecherin Canan Bayram hat am Dienstag ihre Partei und Fraktion verlassen und ist zu den Grünen gewechselt. Außerdem will der Linken-Abgeordnete Carl Wechselberg in den nächsten Wochen entscheiden, ob er in der Linksfraktion bleibt. Auch die Parteimitgliedschaft stellt er in Zweifel. Vorerst hat das rot-rote Bündnis mit 75 Mandaten noch eine Stimme Mehrheit vor der Opposition aus CDU, Grünen und FDP im Abgeordnetenhaus.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sieht allerdings keinen Anlass, aus der neuen Lage Konsequenzen zu ziehen. Er bedauerte die Entscheidung Bayrams, sagte aber: „Ich bin mir sicher, dass die Politik des Senats im Abgeordnetenhaus weiterhin eine Mehrheit findet.“ Auch die Fraktionschefs von SPD und Linken, Michael Müller und Carola Bluhm, wollen das Regierungsbündnis fortsetzen. „Eine Stimme Mehrheit ist auch eine Mehrheit“, sagte Bluhm. Es gebe auch keinen Grund, meinte Müller, dass Wowereit im Landesparlament die Vertrauensfrage stellt.

Dagegen sprach der CDU-Landes- und Fraktionschef Frank Henkel von einem „politischen Erdbeben“, das Wowereit deutlich schwäche. Rot-Rot taumele am Rande der Regierungsfähigkeit. „So können wichtige Entscheidungen kaum noch getroffen werden.“ Seit der Wahl 2006 seien einige Fraktionsmitglieder von SPD und Linken ihrer Führung nur mit geballter Faust in der Tasche gefolgt. Jetzt stünden der Koalition noch größere Zerreißproben bevor. Die CDU wolle mit Grünen und FDP dafür sorgen, dass diese „denkbar knappste Mehrheit bei jeder Gelegenheit strapaziert wird“.

Der FDP-Fraktionschef Christoph Meyer geht davon aus, dass das Land Berlin in den kommenden Wochen „vollends handlungsunfähig wird“. Er forderte von Wowereit eine Regierungserklärung zu seinen weiteren Plänen. Die Berliner hätten einen Anspruch darauf zu erfahren, wohin die Reise gehe.

Auch der Fraktionschef der Grünen, Volker Ratzmann, kündigte an, den Druck auf die rot-rote Koalition zu erhöhen. Mit der Verabschiedung des nächsten Landeshaushaltes stehe bereits die erste große Bewährungsprobe für das nun geschrumpfte Regierungsbündnis an.

Auf einer spontan einberufenen Pressekonferenz hatte die Abgeordnete Bayram am Dienstagnachmittag erklärt, dass sie vor allem den Umgang in der SPD-Fraktion mit der Integrations-, Flüchtlings- und Frauenpolitik nicht mehr hinnehmen wolle. SPD-Chef Michael Müller und Wowereit fühlten sich an Gesetze, „die die paritätische Teilhabe von Frauen zum Gegenstand haben“, nicht gebunden. Auch werde die von der Bundes-SPD 2007 mitgetragene Verschärfung des Aufenthaltsgesetzes von der Berliner SPD nicht infrage gestellt. Übergelaufen sei das Fass, als Innensenator Ehrhart Körting (SPD) eine Entschuldigung für seinen Vergleich zwischen den Mai-Krawallen und einer Vergewaltigung brüsk abgelehnt habe, sagte Bayram. Die Rechtsanwältin gehörte seit 1999 dem linken SPD-Kreisverband Friedrichshain- Kreuzberg an. Dort wechselte bereits 2008 der ehemalige SPD-Bezirksverordnete Ersin Uluc zu den Grünen.

Der SPD-Chef Müller nannte Bayrams Gründe für den Wechsel zu den Grünen „verworren und abenteuerlich“. Die Linksfraktion diskutierte mit Wechselberg am Dienstag ausführlich über dessen Kritik an der „Radikalisierung“ der Bundespartei. Anschließend bekannte er sich zum „rot-roten Projekt“ in Berlin, das er nicht zum Scheitern bringen wolle. Aber sein Unbehagen bleibe.

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