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Hand drauf. Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) würde zwar gern die Wasserbetriebe zurückkaufen, aber nicht um jeden Preis.

© Mike Wolff

Harald Wolf: "Die Wasserpreise können und müssen gesenkt werden"

Wirtschaftssenator Harald Wolf hofft auf das Bundeskartellamt und die Verhandlungen zum Rückkauf der RWE-Anteile an den Berliner Wasserbetrieben. Wolf will die Wasserbetriebe nicht um jeden Preis zurückkaufen.

Die hohen Wasserpreise sind in Berlin ein Politikum und ständiges Ärgernis. Der Senat wird sich wegen des anstehenden Volksbegehrens und der Überprüfung der Preiskalkulation durch das Bundeskartellamt auch 2011 mit dem Thema beschäftigen und plant sogar eine Rekommunalisierung der Wasserbetriebe. Wann verhandeln Sie mit dem RWE-Konzern, der seine Anteile an den Berliner Wasserbetrieben zum Kauf anbietet?

Erste Sondierungen haben stattgefunden. Die Verhandlungen werden im Januar 2011 beginnen.

Was ist dem Senat der Rückkauf der Wasserbetriebe wert?

Der Kaufpreis wird in den Verhandlungen eine Schlüsselfrage sein. Wir kaufen sicher nicht um jeden Preis zurück. Es gibt eine Arbeitsgruppe der Wirtschafts- und Finanzverwaltung, um die Verhandlungen juristisch und finanzpolitisch vorzubereiten, um dann mit einer gemeinsamen Position in die Gespräche zu gehen.

Wie ließe sich der Rückkauf finanzieren – doch nicht aus dem Landeshaushalt?

Nein, nicht direkt aus dem Haushalt. Klar ist, dass zur Finanzierung des Rückkaufs ein Kredit aufgenommen werden muss. Angesichts der niedrigen Zinsen wäre das zu sehr günstigen Konditionen möglich. Mit den Einnahmen aus den erworbenen Anteilen würden dann Zins und Tilgung bedient. Das Ganze könnte über ein sogenanntes Sondervermögen abgewickelt werden, das vom normalen Landeshaushalt getrennt geführt wird.

Der Privatinvestor Veolia, ebenfalls Miteigentümer der Wasserbetriebe, prüft auch einen Kauf der RWE-Anteile. Kommt er damit dem Senat in die Quere?

Nein. Denn der Senat verhandelt mit RWE über den Rückkauf. Wenn Veolia die Anteile der RWE erwerben will, setzt dies die Zustimmung des Landes voraus. Erklärtermaßen will Veolia Miteigentümer der Wasserbetriebe bleiben. Dann wäre es gut, wenn den Erklärungen seitens Veolia, man sei zu einer Neuverhandlung der alten Verträge bereit, auch konkrete Taten folgen würden.

Was bringt es den Berlinern, die Wasserbetriebe zu rekommunalisieren?

Die Wassertarife können und müssen gesenkt werden. Das gelingt, wenn wir aus dem alten Vertrag mit den Privatinvestoren herauskommen. Denn mit ihren realen Kosten stehen die Wasserbetriebe im bundesweiten Vergleich gut da. Aber die fiktiven, die kalkulatorischen Kosten sind enorm hoch und drücken voll auf den Wasserpreis. Das Ergebnis ist eine viel zu hohe Umsatzrendite von 25 Prozent. In Hamburg sind es 14 Prozent.

Das Land Berlin verdient an den Wasserbetrieben sogar mehr als die Privaten – allein im vergangenen Jahr 221 Millionen Euro. Auch das bezahlen die Berliner mit.

Ich kenne diese unsinnige Rechnung der Privaten. Da werden zum Gewinnanteil des Landes, der dem der privaten Eigner entspricht, die bundesweit üblichen Kommunalabgaben addiert – aber geflissentlich übersehen, dass Berlin jährlich zweistellige Millionenbeträge für die Straßenregenentwässerung an die Wasserbetriebe zahlt. Zwar ist das Grundwasserentnahmeentgelt in Berlin ausgesprochen hoch, dafür ist das Straßennutzungsentgelt sehr niedrig. In der Summe sind die Kommunalabgaben der Berliner Wasserbetriebe auf bundesweit üblichem Niveau. Außerdem werden die Einnahmen des Landes für öffentliche Zwecke verwandt und verschwinden nicht in den Taschen privater Aktionäre.

Das Bundeskartellamt prüft seit langem, ob die Wassertarife in Berlin zu hoch sind. Wann fällt endlich eine Entscheidung?

Das Kartellamt vergleicht die Daten von 45 Wasserversorgern mit den Preisen der Berliner Wasserbetriebe. Ich hoffe, dass Anfang 2011ein erstes Ergebnis vorliegt.

Der Veolia-Chef Cunnac wirft Ihnen vor, dieses Prüfverfahren in Gang gesetzt und so die Verhandlungen mit den Privatinvestoren über eine Änderung der Privatisierungsverträge torpediert zu haben.

Unsinn! Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs im Februar 2010 – mit dem die Grundsatzfrage entschieden wurde, ob das Kartellrecht auf Wasserversorger anwendbar ist – habe ich das Landeskartellamt gebeten zu prüfen, welche Auswirkungen dies für Berlin hat. Die Landesbehörde setzte sich mit der Bundesbehörde in Verbindung, die zu dem Schluss kam, dass das Berliner Amt nichts unternehmen kann. Stattdessen prüfte das Bundesamt selbst und äußerte den Anfangsverdacht, dass die Preise in Berlin zu hoch sind. Daraufhin beantragte das Bundeskartellamt offiziell, dass ihm die Zuständigkeit für eine Prüfung der Tarife übertragen wird. Hätte ich eine solche kartellrechtliche Ermittlung verhindern sollen? Wer das erwartet, hat ein eigenartiges Verständnis vom deutschen Rechtsstaat.

Die Kosten für Strom und Gas belasten viele Berliner noch mehr als die Wasserpreise. Was lässt sich da ändern?

Beim Strompreis gibt es – mit Ausnahme der Netzentgelte – keine politischen Einflussmöglichkeiten mehr. Bei Gas und Wärme setze ich in Berlin auf den Aufbau eines kommunalen Versorgers und die Ertüchtigung der Vertriebsnetze zugunsten dezentraler und regenerativer Energien. Ein solcher kommunaler Versorger hätte nicht das Ziel, maximale Gewinne zu erzielen, und könnte im Wettbewerb mit anderen Anbietern preisdämpfend wirken.

Geht die Linke mit dem Spitzenkandidaten Harald Wolf ins Wahljahr 2011 oder gibt es eine Doppelspitze mit Carola Bluhm?

Das wird ein Landesparteitag im März entscheiden. Wir haben eine gute Auswahl an Spitzenpersonal, die wir präsentieren können. Und nicht nur eine oder einen, der für die Linke steht.

Die SPD sagt, sie könne mit allen Parteien regieren. Wie bündnisfähig ist die Linke?

Theoretisch sind auch wir mit allen demokratischen Parteien koalitionsfähig. Praktisch natürlich nicht. Mit wem können wir eine soziale Politik machen? Eine Politik für sichere und gute Arbeitsplätze? Mit wem können wir mehr Demokratie erreichen und eine Bildungspolitik machen, die Chancengleichheit gewährleistet? Das sind unsere Kriterien für eine künftige Zusammenarbeit mit anderen Parteien. Mit der CDU geht das nicht. Nur bei SPD und Grünen sehe ich die Möglichkeit, über eine gemeinsame Regierungsgrundlage zu diskutieren.

Eine Koalition der Linken nur mit den Grünen, das ginge auch?

Dafür wäre – als Mindestvoraussetzung – eine rechnerische Mehrheit nötig. Ich glaube aber nicht, dass die Grünen bei der Wahl an die traumhaften Ergebnisse jüngster Umfragen herankommen. Im Laufe des Jahres 2011 werden die Grünen eine Berichtigung auf ihren realen Wert hinnehmen müssen.

Die Spitzenkandidatin der Grünen, Renate Künast, verspricht für die nächste Legislaturperiode 100 000 neue Arbeitsplätze in Berlin. Halten Sie da mit?

Zum ersten Mal erlebe ich es, dass eine konkurrierende Partei den Wählern weniger anbietet, als die momentane Regierung schon geleistet hat. Rot-Rot hat seit 2006 über 118 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze neu geschaffen. Und ich halte es für realistisch, dass in der nächsten Legislaturperiode 150 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden, solange uns nicht eine neue Weltwirtschaftskrise die Ernte verhagelt.

Ein knappes Jahr vor der Wahl gehen SPD und Linken offenbar die Ideen aus. Sie sehen wirklich noch eine Daseinsberechtigung für Rot-Rot III?

Auf jeden Fall. Außerdem sind uns die Ideen nicht ausgegangen. Das zeigen unter anderem die Schulreform, das Integrationsgesetz, der Mindestlohn bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und die anstehende Entscheidung über den Verkauf der Berliner Immobilien Holding. Alles keine Kleinigkeiten. Die Koalition wird bis zur Wahl hart arbeiten. Die wichtigsten Themen der nächsten Jahre sind: Schaffung von Arbeitsplätzen, Rekommunalisierung von Unternehmen und Dämpfung der Mieten, um das soziale Auseinanderdriften in der Stadt aufzuhalten.

Das Gespräch führten Stefan Jacobs und Ulrich Zawatka-Gerlach.

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