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Berlin: „Herdprämie“ ist allen Parteien zu heiß

150 Euro Betreuungsgeld statt Krippenplatz? Senat, Opposition und Verbände lehnen das ab

Während der Bundestag gestern leidenschaftlich über das Für und Wider von „Betreuungsgeld statt Krippe“ stritt und nun auch ein Kita-Gutscheinsystem diskutiert wird, zeichnet sich in Berlin auf Landesebene ein klares Nein zur so genannten Herdprämie ab. Senat, Opposition und Verbände bilden ein breites Bündnis gegen den CSU-Vorstoß. Von „Herdprämie“ ist abschätzig die Rede, wenn der bayerische Beitrag zur Familienpolitik diskutiert wird. Was hinter dieser Ablehnung steht, fasst Bildungs- und Jugendsenator Jürgen Zöllner (SPD) so zusammen: Ausgerechnet „bildungsferne und einkommensschwache Eltern“ könnten durch die 150 Euro dazu „verleitet“ werden, ihre Kinder nicht in die Krippe zu geben. Dabei sei es gerade für sie wichtig, in der Krippe „Bildung und soziale Kompetenzen zu erfahren“, meint Zöllner.

Diese Gefahr sieht auch der Türkische Elternverein. Der CSU-Vorschlag sei „kontraproduktiv“, meint er übereinstimmend mit Sozialsenatorin Heidi Knake– Werner (Linkspartei.PDS) und der FDP- Bildungspolitikerin Mieke Senftleben. Tülay Usta vom Vorstand des Elternvereins hält es für besser, das Geld in den Ausbau der Betreuungsplätze zu stecken.

Das Wort „kontraproduktiv“ ist sowieso zum Hauptwort der Herdprämien-Gegner geworden. Auch das Deutsche Kinderhilfswerk reiht sich da ein. Das Betreuungsgeld wirke „kontraproduktiv“, meint Bundesgeschäftsführerin Heide-Rose Brückner. Sie fordert einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz.

In der CDU gehen die Meinungen auseinander. Fraktionschef Friedberg Pflüger sieht wie Zöllner die Gefahr, dass die Kinder aus bildungsfernen Schichten noch häufiger vor dem Fernseher landen, damit ihre Eltern die 150 Euro kassieren können. Auch der CDU-Bildungspolitiker Sascha Steuer lehnt aus diesem Grund das Betreuungsgeld ab. Anders sieht das die jugendpolitische Sprecherin der Fraktion, Emine Demirbüken-Wegener: Für sie steht im Vordergrund, dass es genügend Krippenplätze gibt. Wenn es alternativ noch eine Prämie für Familien gäbe, die ihr Kind selbst betreuen wollen, sei das nur gerecht und biete eine begrüßenswerte Wahlfreiheit. Im Übrigen erführen die Eltern durch den verpflichtenden Sprachtest mit vier Jahren rechtzeitig vor Schulbeginn, ob ihr Kind Defizite habe. Dann bleibe ein Jahr, diese aufzuholen.

„Das reicht nicht aus“, hält Henriette Heimgärtner dagegen. Sie ist Mitarbeiterin bei der Internationalen Akademie an der FU, die das Berliner Kita-Bildungsprogramm geschrieben hat. „Gerade für die bildungsfernen Schichten wäre es schade, wenn die Kinder zu Hause blieben statt in die Krippe zu gehen“, betont Heimgärtner. Die ersten Lebensjahre seien entscheidend für die Sprachentwicklung.

In Berlin sind rund 35 000 Kleinkinder in Krippen oder bei Tagesmüttern untergebracht. Dies entspricht einer Quote von zurzeit 42 Prozent. In Thüringen, wo es seit einem Jahr ein Betreuungsgeld gibt, ist die Krippenquote inzwischen von 80 auf unter 70 Prozent gesunken.

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