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Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer wird sich 2011 aus der Politik zurückziehen.

© Kai-Uwe Heinrich

Senatorin: Junge-Reyer zieht sich 2011 aus der Politik zurück

Das Ende einer langen Karriere: Die zunehmend umstrittene Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer kandidiert im kommenden Jahr nicht mehr fürs Parlament. Schon jetzt gilt sie als teilweise entmachtet.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Mit der Abgeordnetenhauswahl 2011 wird sich die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer aus der Politik zurückziehen. Die 64-jährige Sozialdemokratin kandidiert in ihrem heimatlichen Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg nicht mehr fürs Parlament. Und sie hat, so hört man in Parteikreisen, selbst bei einem SPD-Wahlsieg weder Chancen noch Ambitionen, Senatorin zu bleiben.

Schon jetzt gilt Junge-Reyer als teilweise entmachtet. Weil Wowereit wichtige Themen zur Chefsache macht oder weil SPD-Fraktion und Partei es übernommen haben, die Stadtentwicklung, Verkehrs- und Mietenpolitik zu gestalten. Auf dem Landesparteitag am heutigen Sonnabend wird die Genossin neue Niederlagen erleiden. Die Delegierten werden beschließen, dass ein Teilnetz der S-Bahn nach Auslaufen des Verkehrsvertrags 2017 nicht ausgeschrieben wird. Die SPD will die S-Bahn kaufen oder direkt an die BVG vergeben. Zwar hat sich Junge-Reyer nicht endgültig festgelegt, aber die europaweite Ausschreibung als „erste Priorität“ bezeichnet.

Auch die städtebauliche Planung für das Tempelhofer Feld wird vom SPD-Landesparteitag teilweise durchkreuzt. In trauter Eintracht mit den betroffenen Bezirken, mit Grünen und Linken lehnen die Sozialdemokraten eine Wohnbebauung entlang des Columbiadamms ab. Dort sollen stattdessen Sport und Freizeit dominieren. Junge-Reyer wird das ebenfalls sportlich nehmen, denn sie gilt seit Beginn ihrer politischen Laufbahn 1989 als Stadträtin in Kreuzberg als Protagonistin basis- und bürgernah diskutierter Entscheidungen. Und sie ist Parteilinke und kann schlecht etwas dagegen sagen, wenn der linke Mehrheitsflügel der Sozialdemokraten ihr das Heft des Handelns öfter mal aus der Hand nimmt.

Oder wenn der Regierende auf einmal Machtworte spricht, ohne Rücksicht auf Junge-Reyer, obwohl er mit ihr befreundet ist: zu Flugrouten und A 100, S-Bahnchaos und ICC-Sanierung, Mieterschutz, Nachnutzung von Tempelhof und Tegel. Die treibenden Kräfte, soweit überhaupt getrieben wird, sind Wowereit und andere. Parteifreunde frotzeln schon länger, dass der Regierungschef ein Büro in der Stadtentwicklungsbehörde habe: Eine unregierbare Verwaltung mit zwölf Abteilungen, fast 50 Referaten und vielen nachgeordneten Ämtern, in denen jeder einzelne Chef ein kleiner König ist.

Schon 2009 gab es Gerüchte, Junge-Reyer werde im Zuge einer Kabinettsumbildung abgelöst. Wowereit verzichtete damals darauf, was nicht wenige Genossen heute als Fehler einschätzen. Aber an der Frau mit den eisernen Nerven, einer stets geschliffenen Sprache und immer noch guten innerparteilichen Vernetzung perlt fast alles ab. Jedenfalls zeigt sie offen keine mentalen Schwächen, wirkt lebensfroh und nicht belastet durch die Gewissheit, bald keine Politik mehr zu machen.Ulrich Zawatka-Gerlach

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