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Linke: Blick nach draußen

Stefan Liebich (Linke) kennt zwar das Politgeschäft, muss sich aber wie alle Neulinge erst zurechtfinden

Als kürzlich im Deutschlandfunk ein längerer Beitrag über den frisch gewählten Bundestagsabgeordneten Stefan Liebich zu hören war, begann die Reportage mit dem 30er-Jahre-Schlager „Immer wenn ich glücklich bin“.

Und tatsächlich: Wenn der Linken-Politiker in diesen Tagen durch die langen Bundestagsflure im Jakob-Kaiser-Haus zwischen Wilhelmstraße und Reichstag hin- und herläuft läuft, wirkt er bemerkenswert gut gelaunt. Auch wenn der 36-Jährige, der am 27. September dem SPD-Spitzenkandidaten Wolfgang Thierse überraschend seinen Pankower Wahlkreis abnahm, gut eine Woche nach seinem ersten Besuch am neuen Arbeitsplatz noch grundlegende Wissenslücken hat. „Wo kriegt man denn hier einen Kaffee?“, fragt Stefan Liebich einen Kollegen, der gerade aus dem Büro neben jenem tritt, das Liebich vorübergehend benutzt, bevor Ende Oktober der neue Bundestag sich offiziell konstituiert und der Neue ein Büro bekommt.

Auch wenn er den Weg zur Kantine noch nicht gespeichert hat – politisch ist Liebich im Bundestag für einen Neuling bereits bestens vernetzt. Fast 15 Jahre ist der diplomierte Betriebswirt jetzt schon Vollzeitpolitiker, war Mitglied im Abgeordnetenhaus, PDS-Landesparteichef und hat sich zuletzt als Gründer und Sprecher des Reformbündnisses „Forum demokratischer Sozialismus“ bundesweit in der Linken einen Namen gemacht. Jetzt will Liebich sich außenpolitisch profilieren: Am Wochenende wurde er vom Fraktionsvorstand für den Außenausschuss vorgesehen. In den ersten Tagen im neuen Job stehen vor allem praktische Dinge an: Die ersten Fraktionssitzungen im Clara-Zetkin-Saal schräg unter der Reichstagskuppel, in denen die 76 Abgeordneten der Linken sich kennenlernen, oder Vorträge von Bundestagsmitarbeitern über Organisatorisches und Formalitäten wie die Pauschale, mit der Bundestagsabgeordnete ihre Mitarbeiter bezahlen können.

Auf dem Weg zu einer Sitzung steht Liebich plötzlich neben der ebenfalls frisch gewählten Abgeordneten Christine Buchholz, einer Trotzkistin, die im Spektrum der Partei im Verhältnis zu Liebichs realpolitischem Kurs am anderen Ende der Skala steht. „Jetzt müssten wir uns eigentlich schlagen“, scherzt sie.

Kurz zuvor hatte Liebich von der ersten Fraktionssitzung erzählt: Trotz kräftiger politischer Unterschiede hätten fast alle seiner neuen Kollegen den Eindruck vermittelt: „Sie wollen zusammenarbeiten.“ Auch wenn in der Fraktion es mancher nicht für richtig hält, dass die Linke sich an Regierungen beteiligt, wie Liebich sie einst für Berlin mit einfädelte.

Aber solche Debatten will Liebich den Parteigremien überlassen, in der Bundestagsfraktion heißt für ihn der Hauptgegner Schwarz-Gelb. Um dem etwas entgegenzusetzen, arbeitet Liebich mit einigen Mitstreitern bereits fleißig an einem rot-rot-grünen Bündnis quer durch den Bundestag. Auch nach Feierabend: Hin und wieder treffen sich Liebich und andere reformorientierte Linken-Abgeordnete in seinem Wahlkreis im Lokal „Walden“ mit einer Gruppe junger linker Sozialdemokraten.

Das hat bei Liebich Tradition: Einst bereitete er bei Geheimtreffen mit Sozialdemokraten in einem Thai-Restaurant in Friedrichshain den Boden für Berlins erste rot-rote Koalition. Er muss zwar im Bundestag noch nach der nächsten Kaffeemaschine fragen – in Sachen Bündnispolitik hat Liebich aber so manchem altgedienten Bundestagskollegen schon etwas voraus.

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