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Lobbyismus oder unsauberes Geschäft?: FDP will BSR-Finanzvorstand freistellen lassen

CDU möchte die Affäre um den angeklagten Finanzvorstand der BSR, Lothar Kramm, in den zuständigen Ausschuss bringen. BSR-Chefin und BSR-Aufsichtsratschef stellen sich hinter Kramm.

Nachdem neue Details über die mehrjährige Geschäftsbeziehung zwischen dem angeklagten Finanzvorstand der BSR, Lothar Kramm, und dem ebenfalls angeklagten Lobbyisten G. bekannt geworden sind, hat die FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus dem BSR-Aufsichtsrat eine „vorübergehende Freistellung“ von Kramm nahegelegt. Auch die CDU-Fraktion forderte „endlich eine Reaktion des Aufsichtsrates“ des landeseigenen Betriebes und beantragte eine Behandlung der Vorwürfe gegen Kramm im zuständigen Ausschuss für Beteiligungsmanagement und -controlling des Abgeordnetenhauses.

Wie am Mittwoch berichtet, hatte der Lobbyist in einem Schreiben an Rechtsanwälte der BSR von einem „Vorschlag“ an Kramm gesprochen, den Kramm angenommen haben soll. Dieser betraf nicht die BSR, sondern die „gemeinsame Projektbearbeitung“ bei einem Kraftwerk im saarländischen Weiher. Im Saarland war Kramm ab 1986 in der Staatskanzlei tätig gewesen, zeitweilig als Ministerialdirigent in der Regierung von Oskar Lafontaine (damals SPD). Über diese Funktion war Kramm Mitglied von Aufsichtsräten landeseigener Unternehmen. Im Jahr 1996 schied Kramm aus dem öffentlichen Dienst aus. Den Mitangeklagten Lobbyisten will er im Jahr 2004 kennengelernt haben.

Gegen Kramm und den Lobbyisten wurde im April Anklage beim Landgericht erhoben. Kramm soll als Berater der BSR und später als BSR-Vorstand Geschäftsgeheimnisse an den Lobbyisten verraten haben, was beide bestreiten. Die zentrale Frage: Haben die beiden Angeschuldigten damit versucht, die Ausschreibung eines 120-Millionen-Euro- Projektes zur Sanierung der Müllverbrennungsanlage Ruhleben zugunsten solcher Bieter zu beeinflussen, die ihnen eine Provision in Höhe von 1,2 Millionen Euro zugesagt hatten und die sie sich teilen wollten? Die Ermittler sind davon überzeugt. Die BSR und Kramms Anwälte sprechen dagegen von branchenüblichen Kontakten und Angeboten, die Kramm abgelehnt habe.

Die BSR hat im Zuge der Ermittlungen einen renommierten früheren Staatsanwalt beauftragt und Gutachten eingeholt. Das Ergebnis: Die Vorwürfe seien rechtlich unhaltbar und entbehrten jeglicher Grundlage. BSR-Chefin Vera Gäde-Butzlaff sowie BSR-Aufsichtsratschef und Wirtschaftssenator Harald Wolf stellten sich demonstrativ hinter Lothar Kramm.

Die teilweise scharfen Attacken gegen die Ermittler bei der Abwehr der Vorwürfe verblüffen aber. „Dass die Staatsanwaltschaft so hart angegangen wird, habe ich noch nicht erlebt“, sagt der Grünen-Abgeordnete Jochen Esser. Gerüchte, wonach die Staatsanwälte Anklage erhoben haben könnten, nur um ihre langjährigen Ermittlungen nicht ergebnislos einstellen zu müssen, werden in Justizkreisen als „dummes Zeug“ gewertet. Eine „gut begründete Einstellungsverfügung“ werde von Vorgesetzten ebenso gut bewertet wie eine „gut begründete Anklage“, heißt es aus gut unterrichteten Kreisen.

„Ungewöhnlich“ nennt Jochen Esser, dass sich Vorstand und Aufsichtsrat so stark zugunsten von Kramm engagierten. Spätestens, wenn das Gericht die Klage zur Verhandlung zulasse, müssten die Betreffenden ihre Haltung ändern, „wenn sie nicht auch in Mitleidenschaft gezogen werden wollen“.

Ob der Fall verhandelt wird, entscheiden die Richter der Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Berlin.

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