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Die rot-rote Koalition will dem Integrationsgesetz auch dazu beitragen, dass mehr Bewerber aus Migrantenfamilien den Weg in den öffentlichen Dienst finden.

© Kitty Kleist-Heinrich

Migranten in Berlin: Integrationsgesetz wird nachgebessert

Multikulturelles Berlin: Die rot-rote Koalition will mit dem Integrationsgesetz auch dazu beitragen, dass mehr Bewerber aus Migrantenfamilien den Weg in den öffentlichen Dienst finden. Jetzt gibt es Diskussionen über die Einbeziehung der dritten Generation.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

SPD und Linke wollen das Integrations- und Partizipationsgesetz für Berlin noch 2010 im Parlament beschließen. Aber nach der öffentlichen Kritik am Entwurf des Senats diskutieren die Regierungsfraktionen über Nachbesserungen. Zum Beispiel wird überlegt, nicht nur die erste und zweite, sondern auch die dritte Migrantengeneration einzubeziehen – also die Enkel der Einwanderer, die noch in Kita, Schule oder Berufsausbildung sind.

Auf eine Migrantenquote für Ausbildungs- und Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst will Rot-Rot aber weiterhin verzichten. Es bleibt bei Zielmarken, die nicht einklagbar sind. „Eine Quote wäre höchstwahrscheinlich verfassungswidrig“, sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit am Montagabend auf einer Veranstaltung der beiden Koalitionsfraktionen zum Integrationsgesetz. Rechtlich geprüft wird noch, ob bei öffentlichen Ausschreibungen ein „interkultureller Faktor“ eingeführt werden könnte. Das Vergabegesetz des Landes Berlin sieht so etwas bislang nicht vor.

Zusätzlich aufgewertet wird die Rolle der bezirklichen Migrationsbeauftragten, indem sie bei den Bezirksbürgermeistern angesiedelt werden. Verhandeln müssen Senat und Bezirke noch über die Frage, wer den zusätzlichen Aufwand bezahlt: Für die gesetzlich vorgeschriebenen Migrationsbeauftragten, die zehn von zwölf Bezirken bisher auf freiwilliger Basis eingestellt haben. Auch die CDU-geführten Bezirke Reinickendorf und Steglitz-Zehlendorf werden dann verpflichtet, solche Stellen zu schaffen. Außerdem sollen alle Bezirke einen Integrationsausschuss einrichten, in dem bis zu sieben Bürgerdeputierte mitarbeiten. Wowereit relativierte dies aber: „Wenn alle Bezirke sagen, das brauchen wir nicht, kann man darüber reden“.

Nachdem die Verbände und der Rat der Bürgermeister ihre Stellungnahmen abgegeben haben, will der Senat den Gesetzentwurf am heutigen Dienstag endgültig beschließen. Am 4. Oktober wird die Vorlage im Abgeordnetenhaus eingebracht. Nach der Diskussion in den Fachausschüssen soll das Gesetz am 9. Dezember vom Parlament abgesegnet werden. Es bringe „mehr Teilhabe und Gleichberechtigung“ für die Zuwanderer, sagte Sozialsenatorin Carola Bluhm auf der Veranstaltung im Festsaal des Parlaments. Hakan Tas, Vize-Vorsitzender des Landesbeirats für Integrations- und Migrationsfragen, lobte den Senat für dessen „mutigen Schritt“. Integration lasse sich zwar nicht gesetzlich verordnen, aber per Gesetz mitgestalten.

Für Bürgermeister Hanke ist das Gesetz ein "symbolischer Akt".

© promo

Wowereit stellte am Montag klar, dass das neue Gesetz „ein Baustein unserer Integrationspolitik ist, ein hilfreicher Beitrag, nicht mehr und nicht weniger“. Ursprünglich hätte Rot-Rot erwogen, ein umfassendes Integrationsgesetz „für alle Lebensbereiche“ zu machen, erklärte der Linksfraktions-Chef Udo Wolf. Aber dann wäre die parlamentarische Beratung des Gesetzes wohl in die heiße Wahlkampfphase geraten und dieses Risiko wollten SPD und Linke nicht eingehen. Der „Gesetzentwurf-light“, der jetzt ins Parlament kommt, stößt allerdings auch bei Sozialdemokraten auf Kritik.

Nicht nur der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky, sondern auch der Bürgermeister von Mitte und Sprecher der SPD-Rechten, Christian Hanke, lehnt den Gesetzentwurf als „symbolischen Akt“ ab. Das Gesetz komme 20 Jahre zu spät und fördere vor allem „migrantische Lobbyistenverbände“. Die Industrie- und Handelskammer nennt den Gesetzentwurf „unvollständig und bürokratielastig“. CDU und FDP halten das Integrationsgesetz für überflüssig, die Grünen kritisieren es als handwerklich schlecht gemacht und fordern umfangreiche Ergänzungen.

Auf der Veranstaltung am Montag, zu der viele Migrantenverbände und -initiativen eingeladen wurden, bemühte sich die Koalition, wieder in die Offensive zu kommen. „Die Reaktionen zeigen, dass es Diskussionsbedarf gibt“, räumte Senatorin Bluhm ein. Das Gesetz gehöre aber „nicht in die Tonne“, sagte Wowereit. Er kritisierte jene Bezirksbürgermeister, die den Senatsentwurf ablehnten, aber keine eigenen Gegenvorschläge vorgelegt hätten.

Geeinigt hat sich der Senat offenbar darauf, den Vollzug des Integrations- und Teilhabegesetzes von einem wissenschaftlichen Monitoring, also einer Erfolgskontrolle, begleiten zu lassen. In Nordrhein-Westfalen haben Grüne und SPD übrigens bald Gelegenheit, alles besser zu machen. Die Landesregierung in Düsseldorf will 2011 als zweites Bundesland ein Integrationsgesetz vorlegen.

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