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Wowereit zur Nutzung von Tempelhof

© ddp

Porträt: Der Kuschel-Linke mit Berliner Schnauze

Die jüngste Krise seiner rot-roten Koalition hat Klaus Wowereit kalt erwischt. Nach außen reagiert er gelassen darauf, doch unberührt lässt sie ihn nicht. Er fürchtet um seine bundespolitischen Ambitionen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

WELCHEN FÜHRUNGSSTIL PFLEGT ER?

Klaus Wowereit ist ein Alphatier. Dominant und rauflustig, wenn es darauf ankommt, seine führende Position zu behaupten. So war er schon als junger Volksbildungsstadtrat in Berlin-Tempelhof, dann als Chef der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus und seit 2001 als Regierender Bürgermeister. Die Mitarbeiter in der Senatskanzlei wissen trotzdem, dass ihr Chef sachlichen Argumenten zugänglich ist, jedenfalls im zweiten Anlauf. Er ist ein Pragmatiker, der sich nur für machbare und bezahlbare Problemlösungen interessiert.

Aber der Führungsstab und die Verwaltung müssen in seinem Sinne gut funktionieren. Wenn etwas schiefgeht, kommt die „Berliner Schnauze“ des Regierenden zum Einsatz. Besonders gefürchtet ist die interne Vorbesprechung für die Senatssitzung an jedem Dienstag. Das ist kein Ort für zarte Seelen. Wowereit ist ein misstrauischer Mensch, der seinem Instinkt folgt und im direkten Umfeld Menschen braucht, denen er jederzeit vertrauen kann. Mit denen macht er auf Zuruf Politik. Dazu gehören SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller sowie Kultur-Staatssekretär André Schmitz.

WIE SCHWER BELASTET IHN DIE KOALITIONSKRISE?

Als die SPD-Abgeordnete Canan Bayram am Dienstag, auch für Wowereit völlig überraschend, zu den Grünen wechselte, hat er nach außen in typischer Weise reagiert: Na und – ist was passiert, warum regen sich die Medien schon wieder so auf? Und dann lachte er und ging auf einen Empfang. Ja, Wowereit ist extrem nervenstark. Aber kalt gelassen habe ihn die bröckelnde Mehrheit von Rot-Rot nicht, sagen Vertraute. Intern wollte er sofort wissen, ob nach dem Verlust des SPD-Mandats auch die Linke einen Parlamentarier verliert. Zwei Mandate weniger, das wäre das Ende gewesen. Die SPD hätte um die Gunst der Grünen betteln müssen, um desaströse Neuwahlen zu vermeiden.

So aber blies Wowereit rasch zur Entwarnung: Das Regieren werde schwieriger, aber die Koalition sei stabil. Das haben dann die Chefs der beiden Regierungsfraktionen öffentlich kommuniziert, Wowereit hielt sich raus. Seine Rolle: Ruhe ausstrahlen und schneller als geplant wichtige Themen anpacken, damit nicht der Eindruck entsteht, Rot-Rot sei gelähmt.

Beschweren sollte er sich über die kniffelige Lage nicht, in die er unverhofft geraten ist. Nach siebeneinhalb Jahren im Amt hat er nicht nur an Erfahrung und bundespolitischem Profil gewonnen, sondern auch an Behäbigkeit und einer provozierenden Selbstzufriedenheit. Sensible Genoss(inn)en können damit schlecht umgehen. Wowereit hat im Laufe der Jahre an Bodenhaftung verloren, die kommunalen Alltagsprobleme der Millionenstadt Berlin scheinen ihm zunehmend lästig zu werden. Er genießt lieber die Höhenluft.

WIE SOZIALDEMOKRATISCH IST KLAUS WOWEREIT?

Er kam vor 55 Jahren, ausgestattet mit allen wichtigen sozialdemokratischen Genen, in Berlin auf die Welt. Aus einfachen Verhältnissen hat er sich nach oben gekämpft. Sein Credo: Chancengerechtigkeit für alle, aber die gebotene Chance muss jeder selbst am Schopfe fassen. Er will einen starken Staat mit soliden Finanzen, der die öffentliche Daseinsvorsorge organisiert und den sozialen Ausgleich sichert. Einzelinteressen müssen hinten anstehen. Er ist Mitglied bei der Gewerkschaft Verdi und der Arbeiterwohlfahrt. Ein Sozialdemokrat durch und durch, auch wenn er kein harter, sondern nur ein kuscheliger Linker ist.

WIE IST SEINE STELLUNG IM SPD-LANDESVERBAND UND IN DER BUNDESPARTEI?

In der Berliner SPD ist Wowereit seit mehr als 30 Jahren eine feste Größe. Seine Rolle als bundesweit populäre Führungskraft, die den Landesverband glänzen lässt, ist unumstritten. Obwohl er sich immer geweigert hat, Landeschef zu werden. Sich im täglichen Kampf mit den verschiedenen Strömungen im Landesverband aufzureiben, Hahnen- und Hennenkämpfe zu schlichten oder lange Strategiepapiere zu lesen – das ist nicht seine Sache. Auf Landesparteitagen mischt er sich nur ein, wenn es brennt. Er weiß, er steht ein gehöriges Stück über seiner Landespartei, und das ist ihm recht.

In der Bundes-SPD hat sich der Berliner Regierungschef beharrlich nach vorn geschoben. Er ist Sprecher der wenigen SPD-geführten Länder, sitzt im Parteipräsidium, leitet die Großstadtkommission und ist ein begehrter Wahlkampfredner. Er selbst sieht sich auf Augenhöhe mit dem Führungszirkel der Partei, auch wenn ihn Parteichef Franz Müntefering und Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier auf Distanz halten. Das hat auch damit zu tun, dass Wowereit mit der SPD- Bundeslinken gut vernetzt ist und bei den jüngeren SPD-Funktionären ankommt. Ein wichtiger Türöffner zu diesen Teilen der Bundespartei ist der frühere Juso- Chef Björn Böhning, seit zweieinhalb Jahren Planungschef im Roten Rathaus. Wowereits Konkurrenten auf dem linken Flügel: Andrea Nahles und Sigmar Gabriel.

WELCHE ALTERNATIVEN HAT ER?

Im Moment keine. Sollte Rot-Rot scheitern und Wowereit noch vor der Bundestagswahl sein Regierungsamt verlieren, hat er schlechte Karten. Dann wäre er ein König ohne Reich. So mancher geht dann in die Privatwirtschaft. Wowereit – als Berater der Filmindustrie im geliebten Los Angeles? Er muss sich also bemühen, solide weiterzuregieren, damit Rot-Rot und sein persönlicher Stern weiterhin leuchten. Gelingt das, könnten sich nach der Bundestagswahl Chancen im Bund auftun. Vor allem, wenn ein schlechtes Wahlergebnis die SPD-Führungsriege hinwegfegt und eine neue Generation die Macht erobert. Parteichef könnte er werden oder Kanzlerkandidat für die nächsten Bundestagswahlen 2013 oder beides. Die kleine Lösung könnte lauten: Vize-Chef. Den Posten reklamiert er schon länger für sich. Sollte die SPD ab Herbst im Bund weiter mitregieren, könnte er Bundesminister werden. Für Bauen und Verkehr? Dieses Ressort scheint eine beliebte Auffangstation für ehrgeizige Landes- und Kommunalpolitiker zu sein. Das Ziel aller Träume wäre es für Wowereit aber nicht.

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