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Psycho-Konzern: Senat lobt seine Beratungsarbeit zu Scientology

Zwei Kinder der Scientology-Direktorin von Berlin flohen nach Hamburg, um dem Einfluss der totalitären Organisation zu entgehen. Es gibt in der Hauptstadt also zu wenig Beratungsangebote, folgern Kritiker daraus. Stimmt nicht, findet der Senat.

Der Senat hat die Kritik am Beratungsangebot in der Hauptstadt zu der umstrittenen Organisation Scientology zurückgewiesen. Berlin sei gut aufgestellt gegen Sekten, sagte Jugendstaatssekretär Eckart Schlemm. Der Sektenbeauftragte der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Thomas Gandow, sowie die Oppositionsfraktionen im Abgeordnetenhaus von CDU und FDP hatten zusätzliche oder bessere Beratungsangebote in der Hauptstadt gefordert, nachdem bekannt geworden war, dass sich eine 14-jährige Aussteigewillige an die "Arbeitsgruppe Scientology" bei der Hamburger Innenbehörde gewandt hatte.

Schlemm verwies auf die "bewährte Anlaufstelle" bei der Senatsjugendverwaltung und deren Internetseite. Dort werde allen Bürgern Hilfe und Unterstützung im Umgang mit Sekten angeboten, insbesondere mit Scientology. Zudem vermittelten Experten unter der Rufnummer (030) 90265574 den Kontakt zu Beratungsstellen und weiteren Behörden.

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Frank Henkel, kritisierte, dass die bislang bestehenden Angebote "nahezu unauffindbar" gewesen seien. So habe die Internetseite der Sektenstelle bis vor kurzem noch einer Baustelle geglichen. Nun sei dort lediglich "in einer Nacht- und Nebelaktion ein Kontaktformular zusammengezimmert worden". In Kombination mit einer ebenfalls eilig umgesetzten Telefonnummer verkaufe Schlemm die ganze Sache dann als "bewährte Anlaufstelle".

Sektenbeauftragter sieht großen Nachholbedarf

Pfarrer Gandow hatte zuvor angemahnt, dass in Berlin ein großer Nachholbedarf beim Vorgehen gegen Scientology bestehe. Es gebe keine Möglichkeit, in Berlin bei einer staatlichen Stelle eine solide, grundsätzliche Beratung in Sachen Scientology zu bekommen, sagte er. Der Sektenbeauftragte bezeichnete zudem eine Verbotsdiskussion zu Scientology als "wünschenswert". Zugleich sprach er sich für eine "deutliche Aufstockung der Hilfsangebote in Berlin" aus. Die Hamburger Arbeitsgruppe etwa verfüge über sechs feste Mitarbeiter.

Der Fall der 14-Jährigen aus Berlin hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Weil sie aus der Organisation aussteigen wollte, wandte sie sich zusammen mit ihrem 25 Jahre alten Stiefbruder in Hamburg an die dortige Arbeitsgruppe. Laut Medienberichten soll die Stiefmutter des Mädchens die leitende Direktorin des im Januar eröffneten Scientology-Zentrums in Berlin-Charlottenburg sein.

Scientology schießt zurück

Eine Scientology-Sprecherin warf der Leiterin der Hamburger Arbeitsgruppe, Ursula Caberta, vor, die Unsicherheiten und Ängste eines Kindes für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Insbesondere wenn es um Minderjährige gehe, bestehe ein besonderer Anspruch auf den Schutz der Privatsphäre. Caberta aber versuche zusammen mit der Berliner CDU und FDP, auf dem "Rücken der Kinder Politik zu machen".

Die von dem Science-Fiction-Autor Ron Hubbard in den USA gegründete Organisation wird von Experten als eine profitorientierte Gruppe mit totalitären internen Strukturen und undemokratischen Zielen angesehen. Auch sollen Aussteigewillige unter Druck gesetzt werden. Im Unterschied zu den meisten anderen Bundesländern wird Scientology in Berlin seit 2003 nicht mehr vom Verfassungsschutz beobachtet.

Mirko Hertrich[ddp]

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