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Senat: Klimaschutzgesetz: Chefsache wird zu den Akten gelegt

Der Umweltverband BUND sieht beim Klimaschutzgesetz ein „Gesamtversagen des Senats“. Die Grünen fordern Erklärung Wowereits im Parlament.

Der Senat hat zwar das Klimaschutzgesetz begraben, aber nicht den Klimaschutz. So sieht es zumindest die Verwaltung von Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke), die ihr umstrittenes Vorhaben am Montag einkassiert hatte – mit Verweis auf die Politik der Bundesregierung, die Fördermöglichkeiten gestrichen und Mieter zusätzlich belastet habe.

Für Immobilienbesitzer und Mieter bedeutet das zunächst: Keine Investitionskosten oder Umlagen für zwangsweise Modernisierungen, aber auch kein gesetzlicher Druck, hohe Energierechnungen in den Griff zu bekommen.

Andreas Jarfe, Landesgeschäftsführer des Umweltverbandes BUND, sieht hinter Lompschers Rückzieher ein „Gesamtversagen des Senats“: Die für den Gebäudebestand zuständige Senatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) habe Lompschers Vorhaben nie unterstützt, Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) sei zu keiner Neuverschuldung für die Modernisierung von Bauten bereit gewesen – auch wenn diese Schulden durch die Energieeinsparung bald getilgt worden wären. Und auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) habe Lompscher hängen lassen.

Diesen Punkt wollen auch die Grünen ganz genau wissen – nächste Woche im Parlament. „Chefsache Klimaschutz: Was macht eigentlich der Chef?“, ist eine Große Anfrage überschrieben, die Wowereit beantworten soll. Die 16 Einzelfragen befassen sich auch mit dem Energiekonzept, das seit Monaten bei der Wirtschaftsverwaltung in der Schublade liegt.

Die Formulierung des Fragenkataloges klingt einerseits stark nach Vorwahlkampf. Andererseits hat der Senat selbst den Grünen erst kürzlich eine Vorlage geliefert: In einer Vorlage für den Hauptausschuss des Parlaments sollte die Umweltverwaltung über den Stand des Klimaschutzprogramms berichten. Darin heißt es, dass die ökologische Sanierung von Gebäuden zwar „als bedeutsam angesehen wird“, aber „aufgrund der Heterogenität der Strukturen und der Eigenverantwortlichkeiten der jeweiligen Stellen“ noch immer kein Überblick über die energetische Qualität der landeseigenen Gebäude bestehe. Der Datenbestand lasse kaum Vergleiche zu, so dass „noch erhebliche Grundlagenarbeit zu leisten ist“.

Auf Nachfrage erklärte die Umweltverwaltung, dass die Daten zu einzelnen Gebäuden – Rathäuser, Unis, Schulen, Ämter – durchaus vorhanden seien, aber eben noch nicht vergleichbar. Wenn man den Datenberg einmal auftürme, dann wolle man ihn auch gründlich ordnen.

Der Haushaltsexperte der Grünen, Oliver Schrouffeneger, empfindet diese Zwischenbilanz zweieinhalb Jahre nach Wowereits viel beachteter Ankündigung zum Klimaschutzprogramm des Senats als Armutszeugnis: „Daten, die nicht vergleichbar sind, sind für die Katz.“ Ziel der Erfassung müsste aus seiner Sicht eine Liste mit den dringendsten Sanierungsfällen sein. Vor einer Woche hat Finanzsenator Nußbaum immerhin einen Bericht der landeseigenen Immobiliengesellschaft BIM vorgelegt, der die erreichten und möglichen Einsparpotenziale in deren Gebäudebestand benennt. Das gesamte jährliche Sparpotenzial dieses Gebäudepools wird auf 53 Millionen Kilowattstunden beziffert.

Die Grünen wollen die Sanierungen vor allem durch ein „Klima-Stadtwerk“ voranbringen, das nach einer öffentlichen Anschubfinanzierung auf eigene Rechnung wirtschaften soll. Bis zu 500 Millionen Euro Startkapital halten die Grünen für nötig. Als Geldquellen sehen sie die Fördertöpfe von Land, Bund und EU. Später soll das Budget überwiegend durch Energieeinsparungen hereinkommen, die die öffentliche Hand gemeinsam mit privaten Investoren erzielt. Dieses Contracting-Modell ist nicht neu: Die zu 25 Prozent landeseigene Berliner Energieagentur (BEA) betreibt es für kleinere Gebäudebestände schon seit Jahren.

Die BEA hat nicht nur das von der Wirtschaftsverwaltung bestellte Energiekonzept verfasst, sondern auch die Folgekosten des Klimaschutzgesetzes durchgerechnet. Dabei kam heraus, dass sich die zwangsweise Nachrüstung erneuerbarer Heizenergien oft nicht lohnt. Nun hoffen vor allem BUND, IHK und Mieterbund, dass nach der Wahl das von ihnen gemeinsam entwickelte Alternativkonzept zum Zuge kommt: Ein Stufenmodell, das Hausbesitzern die Wahl der Mittel selbst überlässt und eine Klausel für Härtefälle enthält. Die Verbände hatten es Lompscher vor Monaten präsentiert – waren jedoch mit dem Hinweis auf „rechtliche Bedenken“ abgeblitzt.

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