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Berlin: Staatlich geprüfte Einwanderer

Integrationskurse für Migranten sollen besser werden. Bisher machen nur 50 Prozent die Abschlussprüfung

Analphabeten aus Anatolien, Akademiker aus Istanbul, Spätaussiedler aus Russland: Knapp 20 000 Migranten haben in den vergangenen zwei Jahren Integrationskurse in Berlin besucht. Weniger als die Hälfte hat die Abschlussprüfung bestanden. Viele haben sich dazu gar nicht erst angemeldet. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das die Kurse seit Januar 2005 organisiert, die Berliner Volkshochschule (VHS), die etwa die Hälfte der Kurse anbietet, und Berlins Integrationsbeauftragter sind sich deshalb einig: „Die Kurse sind verbesserungsfähig“.

Als Erfolg werten die VHS und der Integrationsbeauftragte Günter Piening, dass die Kurse sehr nachgefragt werden. „Pro Woche kommen 40 bis 50 Interessenten, wir haben Wartelisten“, sagt Michael Weiß, der in der VHS Mitte den Programmbereich Deutsch leitet. Die VHS Mitte ist mit 1200 Teilnehmern im vergangenen Jahr der größte Anbieter von Integrationskursen in Berlin. Auch viele Migranten, die schon lange hier leben, wollen gerne einen Kurs mitmachen. „Die Befürchtung, dass die Leute nur unter Zwang kommen, hat sich nicht bewahrheitet“, sagt Piening. Erfreulich sei auch, dass zwei Drittel Frauen sind. Die Integrationskurse setzen sich bisher zusammen aus 600 Stunden Sprachunterricht plus 30 Stunden, die eine „Orientierung“ über Geschichte, Gesellschaft und Politik der Bundesrepublik geben sollen.

Bilkay Öney, migrationspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, hat verschiedene Kurse besucht und mit Teilnehmern und Lehrern gesprochen. In einer kleinen Anfrage im Abgeordnetenhaus wollte sie kürzlich von Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) wissen, wie erfolgreich die Integrationskurse in Berlin sind. Ihr Fazit: „Die Kurse müssen dringend nachgebessert werden. So, wie sie jetzt sind, werden sie weder von den Teilnehmern noch von den Kursträgern richtig ernst genommen.“

Berlin liegt mit einer Quote von 47 Prozent bestandener Prüfungen zwei Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt. Die Berliner Zahl bezieht sich allerdings nur auf das erste Quartal 2007. Denn seit Januar wird überhaupt erst nach Bundesländern getrennt erhoben, wie viele Kursteilnehmer an den Prüfungen teilnehmen und sie bestehen.

Ein Gutachten der Firma Ramboll Management, die im Auftrag des Bundesinnenministeriums die Kurse im vergangenen Jahr bundesweit evaluiert hat, stellt fest, dass überhaupt nur 40 Prozent der Kursträger die Teilnehmer gezielt auf die Prüfungen zum Zertifikat Deutsch vorbereiten, nur fünf Prozent intensiv. Um die „Erfolgs- und Zielorientierung“ zu verstärken, wie es in den jetzt verabschiedeten Verschärfungen des Zuwanderungsgesetzes heißt, muss man künftig an den Prüfungen nicht nur teilnehmen, sondern sie auch bestehen. Sonst droht eine Geldbuße von bis zu 1000 Euro.

„Die bislang vorgesehenen 600 Sprachstunden reichen nur bei einem guten Drittel der Migranten aus, um die Prüfung zu bestehen“, sagt Michael Weiß von der VHS Mitte. Nach bestandener Prüfung könne er sich mit der deutschen Sprache schriftlich und mündlich „durchlavieren“. „Um in der Schule oder in der Ausbildung mitzukommen, muss man ordentlich dazulernen.“ Deshalb begrüßt Weiß, dass der Sprachunterricht nun bundesweit auf 900 Stunden aufgestockt werden soll und die Prüfung Pflicht wird. „Ohne Zwang funktioniert es wohl nicht.“ Auch wünscht sich der VHS-Programmleiter, dass die Prüfungen abgestuft werden. Wer jetzt die Prüfung nicht besteht, geht völlig leer aus – obwohl er durchaus Kenntnisse erworben hat. Das sei nicht fair und motiviere nicht, weiterzulernen.

Für Weiß ist für den Erfolg eines Kurses entscheidend, dass nicht Analphabeten neben Akademikern sitzen, sondern für jedes Sprachniveau und Lerntempo ein entsprechender Kurs zur Verfügung steht. Dies könne aber nur ein Träger gewährleisten, der wie die VHS Mitte sehr viele Schüler habe. In ihrem Gutachten kommt die Firma Ramboll Management zu dem Ergebnis, dass dies vielen Trägern nicht gelinge.

In deren Gutachten wird außerdem bemängelt, dass die Kurse zu wenig mit den Jobcentern, mit Schulen und anderen kommunalen Anlaufstellen für Migranten verzahnt sind. Nur so könne sichergestellt werden, dass das Gelernte auch angewendet wird und tatsächlich zur Integration beitrage. So sieht es auch Günter Piening, der Integrationsbeauftragte des Senats. In seiner Behörde ist eine Arbeitsgruppe damit beschäftigt, die Kooperation von Bezirken, Jobcentern und Integrationskursen zu verbessern. „Man müsste sich um jeden Einzelnen kümmern“, sagt Weiß. Dazu aber benötige man mehr Geld. Deshalb freuen sich alle Beteiligten, dass der Bund ab 2008 jährlich 14 Millionen Euro mehr für die Integrationskurse ausgeben will. Künftig sollen nicht mehr als 20 Teilnehmer in einem Kurs sitzen. Es soll Angebote für unterschiedliche Sprachniveaus geben, und die Kurse sollen speziell auf einzelne Gruppen ausgerichtet sind, etwa auf Jugendliche, Frauen oder Analphabeten.

Die Kurse seien zu wichtig, als dass man sich mit einer schlechten oder mittelmäßigen Qualität abfinden dürfe, sagt Bilkay Öney. „Denn diejenigen, die durchfallen, erreicht man hinterher nicht mehr.“

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