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Ulrich Nußbaum: "Ich bin nicht Dagobert Duck"

Der neue Finanzsenator Ulrich Nußbaum kündigt im Gespräch mit dem Tagesspiegel einen Kassensturz an und warnt die Koalition vor teuren Wünschen und Projekten.

Herr Nußbaum, kaum sind Sie im Amt, verliert Rot-Rot fast die Mehrheit. Haben Sie jetzt Angst, der am kürzesten amtierende Finanzsenator Berlins zu werden?



Nein. Natürlich war ich von der Situation überrascht, ich sehe die rot-rote Koalition aber nicht gefährdet. Und ich bin fest davon überzeugt, dass wir den Haushalt gemeinsam verabschieden werden.

Wie groß ist die Herausforderung, Sarrazin als Finanzsenator nachzufolgen?

Ich erahne so langsam, wie viele Baustellen ich zu bearbeiten habe.

Wie war die erste Senatssitzung?

Ein Stück anders als in Bremen. Es ging lässiger zu, im Norden sind wir formeller. Aber es wurde sehr sachlich und ausführlich diskutiert.

Setzen Sie eher auf Kooperation oder werden Sie allen zeigen, wer Herr im Haus ist? Zum Beispiel den Bezirken?

Als Unternehmer weiß ich, wie schwierig das operative Management ist. Man kann fantastische Beschlüsse fassen, aber die Realisierung ist meistens schwierig. Deshalb mein großer Respekt vor den Berliner Bezirken, die politische Vorgaben des Senats umsetzen müssen. Andererseits erwarte ich von allen, die öffentliches Geld verwalten, sich in die Linie, die der Senat finanziell vorgibt, loyal einzupassen. Das gilt auch für die Bezirke.

Und was gilt für öffentliche Unternehmen? Etwa die Berliner Verkehrsbetriebe?

Bei einem so wichtigen Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge stellen sich erst einmal politische Fragen: Wie muss der öffentliche Nahverkehr in der Stadt ausgestattet werden? Wie teuer darf er für den Staat und die Bürger sein? Andererseits muss das Management mit dem vorhandenen Geld und Personal effizient arbeiten und ein gutes Verkehrsangebot bereitstellen. Außerdem interessiert mich: Wie verbesserungsfähig sind die innerbetrieblichen Abläufe? Wie dienstleistungsorientiert ist das Landesunternehmen gegenüber den Bürgern? Hier sollten dieselben Maßstäbe angelegt werden wie im privaten Bereich.

Sind Sie für die weitere Privatisierung öffentlicher Unternehmen, etwa von Wohnungsbaugesellschaften?

Man muss sich genau anschauen, was der Verkauf eines Wohnungsunternehmens bringt. Die Einnahmen sind zwar in der Kasse, aber das ist ein Einmaleffekt. Dem stehen soziale Kosten gegenüber, wenn sich Privatinvestoren nicht so verhalten, wie es für die Mieter und die Stadtteilentwicklung gut wäre. Es kommt also immer auf den Einzelfall an, aber Verkäufe von Wohnungsbaugesellschaften sind für diese Legislaturperiode nicht geplant.

Zum öffentlichen Dienst haben Sie kürzlich gesagt: Die Bäume können nicht in den Himmel wachsen. Was heißt das für die nächsten Tarifverhandlungen?

Die Gewerkschaften erhoffen sich Zuwächse bei den Einkommen, orientiert an den bundesweiten Tarifabschlüssen. Ich sehe aber nur einen sehr geringen Verteilungsspielraum, das wird auch die nächste Steuerschätzung zeigen. Die Einnahmen werden weiter wegbrechen, vermutlich um einen dreistelligen Millionenbetrag. In diesem Lichte müssen wir alle Forderungen sehen. Es kann nicht sein, dass wir die Konsolidierungsleistungen der letzten Jahre wieder in Frage stellen.

Ihr Vorgänger Sarrazin wollte die Stellen im Landesdienst auf 94 000 reduzieren.

Das Ziel für diese Wahlperiode ist vorgegeben: Bis 2011 wird die Stellenzahl von 108 000 auf 100 000 zurückgeführt. Die Schlachten künftiger Jahre werde ich jetzt ganz sicher nicht schlagen.

Es gab in Berlin den Streit, ob Lehrer verbeamtet werden sollen.

Aus haushaltspolitischer Sicht ist es mutig und konsequent, Lehrer nicht zu verbeamten. Beamte kosten zwar kurzfristig weniger Geld, aber der Staat verschiebt die Versorgungsausgaben damit nur auf die Zukunft. Das ist eine Mogelpackung. Aus meiner Sicht sollte man überhaupt für die Lehrer bundesweit ein ganz neues Dienstrecht schaffen, Für einen möglichst effizienten, leistungsorientierten Schulbetrieb, auch mit Kündigungsrecht.

Für den Etat 2010/11 gibt es schon viele Begehrlichkeiten. Wie gehen Sie damit um?

Ich meine schon, dass der Senat die am 10. März beschlossenen Eckwerte für den nächsten Haushalt noch einmal prüfen muss. Nach der Mai-Steuerschätzung werden wir um einen Kassensturz nicht herumkommen und politisch diskutieren müssen: Wie lässt sich die weiter steigende Verschuldung mit den vielen Wünschen vereinbaren?

Ein Versprechen von Rot-Rot ist die kostenlose Schulverpflegung für alle Kinder. Kann sich Berlin das noch leisten?

Leisten können wir uns das eigentlich nicht, aber ich halte es für wichtig. Denn solche Ausgaben zur Verbesserung der Lebenssituation junger Menschen rechnen sich auf Dauer. Ich frage mich, warum wir nicht Ansätze finden können, Kinder bis zum Ende ihrer Ausbildung stärker ganzheitlich betreuen zu lassen und damit ein Nebeneinander von Verwaltungen zu vermeiden.

Der neue Finanzsenator interessiert sich also auch für Bildungs- und Sozialpolitik?

Na klar. Das Spannende sind ja die Inhalte. Das Geld muss man haben, um Inhalte zu gestalten. Es ist nur Mittel zum Zweck. Wie Dagobert Duck im Tresorraum zu sitzen, um sich am Goldsegen zu berauschen, das ist nicht meine Welt. Sozialpolitik, Kinder und Jugendliche interessieren mich genauso wie Kultur oder Bildung. Aber das muss in ordentlichen Strukturen geschehen. Wer glaubt, gute Sozial- und Bildungspolitik heißt nur, mehr Planstellen zu fordern, hat mich nicht als Freund.

Kann sich Berlin eine neue Landesbibliothek für 170 Millionen Euro leisten?

(lacht). Tja, diese Kämpfe gehören dazu, das macht meinen Job reizvoll.

Sie sind ein Gegner neuer Investitionen?

Nein, und die Situation ist günstig. Das Konjunkturpaket II stellt für die Sanierung der öffentlichen Infrastruktur dreistellige Millionenbeträge zur Verfügung. Das sind allerdings vorgezogene Investitionen, die sich Berlin unter anderen Umständen jetzt nicht hätte leisten können. Deshalb müssen wir prüfen, ob wir in Zukunft eventuell andere Schwerpunkte setzen. Ich wäre dafür offen.

Die Föderalismuskommission II schlägt ein Verschuldungsverbot für die Länder ab 2020 vor. Wie stehen Sie dazu?

Diese Art der Schuldenbremse ist, so meine persönliche Meinung, nicht unbedingt zweckdienlich. Sie verringert die Haushaltsautonomie der Länder, außerdem ist sie ungerecht, denn die Länder gehen mit ganz unterschiedlichen sozialen, finanziellen und wirtschaftlichen Voraussetzungen in das Schuldenverbot hinein. Solange es keine gleichen Startchancen für alle gibt, halte ich nichts davon.

Berlin, Hamburg und Bremen haben in den vergangenen Jahren eher gegeneinander als miteinander agiert. Ist eine bessere Zusammenarbeit für Sie ein Thema?

Es würde den Stadtstaaten und Großstädten gut tun, auf mehr Gemeinsamkeit zu setzen. Ich meine, dass der Wechsel im Amt des Berliner Finanzsenators die Voraussetzungen dafür verbessert.

Berlin ist eine ökologisch sensible Stadt. Da wurde sofort über Ihren Bentley diskutiert und es gibt Fragen, ob sich Ihr Fischgroßhandel in Bremerhaven an den Kriterien der Umweltschützer orientiert.

Der Bentley ist nicht wegzuleugnen, den habe ich gekauft, als ich kein Politiker war. Das Auto hat eine Umweltplakette für die Innenstadt, ist aber zugegebenermaßen ökologisch nicht sinnvoll, sondern reine Liebhaberei.

Und Ihr Unternehmen…

… importiert tiefgefrorenen Fisch für die Weiterverarbeitung und die Gastronomie. Das Unternehmen ist MSC-zertifiziert, das heißt vom Marine Stewardship Council. Tunfisch beispielsweise führen wir gar nicht, weil er regelmäßig aus überfischten Beständen kommt. Ansonsten ist Fisch ein gesundes Produkt und Sie sollten es regelmäßig essen.

Das Gespräch führten Gerd Nowakowski und Ulrich Zawatka-Gerlach.

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