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Volksentscheid: Kanzlerin macht Stimmung für Reli

Die Bundeskanzlerin hat sich in den Berliner Streit um den Religionsunterricht eingeschaltet. Sie werde für "Pro Reli" stimmen,sagte die CDU-Politikerin. Unterdessen überlegt der Senat, wie er mit der Schlappe umgehen soll, die er vor Gericht wegen der Anti-Reli-Zeitungsanzeigen erlitten hat.

Angela Merkel (CDU) rief die Berliner dazu auf, für Religion als Pflichtfach an den Schulen zu stimmen. Die Schüler in Berlin sollten das gleiche Recht wie in anderen Bundesländern erhalten, sagte die CDU-Chefin am Freitag in einer Konferenz der Kreisvorsitzenden ihrer Partei in Berlin. Sie setze sich dafür ein, dass „möglichst viele“ Bürger der Initiative für die Einführung von Religion als Pflichtfach zustimmen. Sie werde am Sonntag mit Ja stimmen.

Derweil will der Senat die juristische Niederlage im Anzeigenstreit zum Volksentscheid nicht einfach hinnehmen. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) kündigte am Freitag an, "da ist noch nicht das letzte Wort gesprochen". Es gebe auch andere Rechtsprechungen. "Wenn das Oberverwaltungsgericht das anders sieht, dann wird das auszufechten sein", sagte Wowereit dem Radiosender 104.6 RTL.

Drei Tage vor dem Volksentscheid zur Einführung eines Wahlpflichtfachs Religion am Sonntag hatte die Auseinandersetzung zwischen den Kontrahenten weiter an Schärfe gewonnen – und am späten Donnerstagabend eine überraschende Wendung genommen.

Es begann damit, dass die Initiative „Pro Reli“ am Mittwoch beim Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung gegen als „Steuerverschwendung“ kritisierte Zeitungsannoncen des Senats beantragt hatte. Daraufhin verteidigte die Landesregierung ihre Linie, für ein allgemeines Wahlpflichtfach Ethik auch mit steuerfinanzierten Anzeigen zu werben – wie auch in der Freitagausgabe des gedruckten Tagesspiegels.

Diese in sieben Zeitungen an zwei Tagen geschalteten Anzeigen kosten den Senat nach eigenen Angaben 50 000 Euro, nach Schätzungen von Pro Reli mehr.

Am Nachmittag bekam der Senat noch Recht - am Abend dann Pro Reli

Am Donnerstagnachmittag stützte das Verwaltungsgericht in diesem Streit den Senat. Die Landesregierung ist „bei Volksabstimmungen nicht zur Neutralität verpflichtet“, sondern dürfe ihre Position „mit Nachdruck vertreten und werbend dafür eintreten“, heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts.

Am Donnerstagabend dann die Überraschung: Das Oberverwaltungsgericht machte den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom Nachmittag rückgängig. Die Richter untersagten dem Senat per einstweiliger Anordnung, „mit Ausnahme der Amtlichen Information zum Volksentscheid unter Einsatz staatlicher Mittel durch Anzeigenserien, Faltblätter oder sonstige Publikationen“ für eine Position im Streit um ein Wahlpflichtfach Religion einzutreten. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass eine vom Senat mit Steuergeldern finanzierte Anzeige zugunsten des bestehenden Wahlpflichtfachs Ethik die Chancengleichheit der Initiatoren von Pro Reli verletze.

Dieser Beschluss ging in der Tagesspiegel-Redaktion allerdings erst ein, nachdem die Freitagausgabe mit den gerichtlich untersagten Senats-Anzeigen längst im Druck war.

Exakte Kosten der Kampagnen sind schwer zu ermitteln

Die Kosten der Kampagnen gehen auf beiden Seiten in die Hunderttausende. Die exakten Zahlen sind allerdings schwer zu ermitteln. Auf Seiten von Pro Reli liegt dies vor allem daran, dass die Initiatoren sich weigern, über die Finanzierung ihrer Kampagne Auskunft zu geben.

„Wir wollen darüber nicht reden“, sagt der Vorsitzende der Trägerinitiative Pro Reli e.V., Christoph Lehmann. Ob Senatsschätzungen zutreffen, dass Pro Reli für Plakate und Werbespots mehr als eine Million Euro ausgegeben hat? „Schwachsinn“, sagt Lehmann. „Ich wollte, wir hätten eine Million Euro.“ Die realen Ausgaben lägen „weit darunter“.

Lehmann verrät nur, dass unter den Spendern neben kirchennahen Institutionen auch Privatleute seien, die teilweise fünfstellige Beträge gespendet hätten. Die großen Kirchen unterstützen Pro Reli nicht direkt mit Zahlungen, übernehmen aber die Kosten für einzelne Aktionen. So hat die Evangelische Kirche nach eigener Darstellung rund 100 000 Euro für Briefe bezahlt, mit denen für Pro Reli geworben wurde, eine weitere Briefsendung kurz vor dem Volksentscheid kostet die Evangelische Kirche 70 000 Euro. Die Katholische Kirche gibt an, rund 100 000 Euro an Kosten für Pro Reli übernommen zu haben. Die CDU, die Pro Reli ideell unterstützt, gibt an, dem Verein kein Geld zu zahlen.

Beim Bündnis Pro Ethik, das neben Privatspendern die Regierungsparteien SPD und Linke sowie Grüne, Gewerkschaften wie die GEW und der Humanistische Verband HVD unterstützen, übernahmen ebenfalls die Mitglieder Kosten für einzelne Posten oder warben aus eigener Kasse im Sinne des Bündnisses. So gibt die Berliner SPD an, für eigene Pro- Ethik-Werbematerialen, vor allem Poster, rund 45 000 Euro ausgegeben zu haben. Dazu kommen bis zu 20 000 Euro, die die SPD für Plakate von Pro Ethik beigesteuert hat. Bei den Linken sieht der Beitrag zum Bündnis ähnlich aus, als Kosten für eigene Plakate und Briefe gibt die Partei rund 20 000 Euro an. Dazu kommen die Summen, die die Abgeordnetenhausfraktionen vor allem von SPD und Linken für eigene Pro-Ethik-Materialien ausgegeben haben. So hat die SPD-Fraktion nach eigener Darstellung rund 50 000 Euro für die Kampagne investiert, die Linken-Fraktion knapp 7000 Euro. Kleinere Beiträge sind laut Pro Ethik von Grünen, GEW und Humanistischem Verband übernommen worden.

Pro Reli bezweifelt allerdings die Zahlen der Konkurrenz und schätzt die Kosten der Pro-Ethik-Plakate auf ein Mehrfaches der genannten Summen.

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