zum Hauptinhalt

Wowereits Konkurrentin: Renate Künast startet ihren Wahlkampf

Für Renate Künast hat das harte Jahr der Regiermeister-Azubine begonnen. Die grüne Spitzenkandidatin muss den Vorsprung Wowereits in Sachen Ortskenntnis verkürzen und besuchte deshalb am Dienstag ein Reinickendorfer Mehrgenerationenhaus.

Kein Problem für eine ehemalige Landwirtschaftsministerin. Renate Künast setzt sich an den niedrigen Tisch, packt entschlossen eine halbe Kartoffel und schnitzt mit dem Küchenmesser so lange daran herum, bis vorn ein Ring übersteht. Den gibt sie den Kindern, und die drucken Ring um Ring aufs Papier; die Farbe ist blau, man kann nicht alles haben. Gibt gute Fotos der Grünen, immerhin.

Das harte Jahr der Regiermeister-Azubine hat begonnen. Die gebürtige Recklinghausenerin muss den erheblichen Vorsprung des Konkurrenten Wowereit in Sachen Ortskenntnis verkürzen, und der war schon das ganze Jahr auf Bezirkstournee. Ihr Programm trägt den schicken Titel „Green goes ...“ – und ging am Dienstag in Richtung Soziales, begleitet von Fraktionschefin Ramona Pop und den zuständigen Abgeordneten.

Ziel war das Reinickendorfer Mehrgenerationenhaus der gemeinnützigen GmbH Albatros, die in der Branche als höchst vorzeigbar gilt. Ein Heimspiel für die Obergrüne, denn Albatros-Chef Fritz Kiesinger gibt auch gleich zu Protokoll, dass er mit dem aktuellen Senat Probleme hat.

Die Treberhilfe-Affäre sei als Hebel genutzt worden, sagt er, um die freien Träger rigiden staatlichen Kontrollen zu unterwerfen, das sei unproduktiv und werfe vielfach erfolgreiche Arbeit zurück, „ich denke, dass die Grünen da moderner sind“. Künast nickt dezent, befindet sich aber merklich im Zuhör-Modus und lässt sich auf keinerlei Versprechen ein.

Mit dem Träger und dessen Arbeit hat sie keine Probleme. Albatros ist von einer psychologischen Selbsthilfegruppe zu einem erfolgreichen Unternehmen mit 500 Mitarbeitern gediehen, hier scheint das Multikulturelle zu funktionieren, und der Chef findet es deshalb auch sinnvoller, die Klientel zur Besinnung auf die eigenen Kräfte zu ermuntern, statt nach mehr Staatsgeld zu rufen, das hören alle Politiker gern.

Renate Künast hält sich zurück, hebt kokett den Finger, um den Redefluss des Experten zu unterbrechen, nutzt nur ganz selten ihre durchschlagskräftige Stimme, um direkt zu Wort zu kommen, und sagt Dinge wie: „Ich versuche zu verstehen, wo ist denn jetzt der Nukleus, der Kern?“ Andererseits kann sie auch kritisch, das zeigt sie beim Betrachten eines farbenfrohen Wandbehangs, den die Frauen des Zentrums dem Frieden gewidmet haben: „Mir persönlich ist es ein bisschen bunt, aber ich bin technisch beeindruckt“ – ein echter Künastismus jener Art, von der wir in den kommenden Monaten mehr hören werden.

Nach zweieinhalb Stunden eilte die Kandidatin davon, um die Fraktion ihrer Partei im Abgeordnetenhaus zu besuchen. Dort, so teilte ein Fraktionssprecher mit, ging es vor allem um ihre Haltung zum Gymnasium, die nach ihrem Tagesspiegel-Interview vom Sonntag zweifelhaft schien. Sie habe klargestellt, hieß es weiter, dass auf ihrem Arbeitsplan keinesfalls die Abschaffung dieser Schulform stehe. Es gehe ihr vielmehr um die Qualität der Schulbildung und die richtige Ausstattung der Schulen, um dieses Ziel zu erreichen. Ihre Vorstellung einer neuen politischen Kultur gehe davon aus, dass die Bürger mit den Politikern diskutierten, um dann gemeinsam voranzukommen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false