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Berlin: Landstadt wird zur Geisterstadt

In Gatow sollte die größte Siedlung für Bundesbeamte entstehen. Doch anstelle der Eigenheime wächst hier nur Gras

Von Rainer W. During

Gatow. Die Landstadt Gatow droht für den Bund zum 150 Millionen Euro-Flop zu werden. Dieser Betrag wurde in die Infrastruktur auf dem ehemaligen Flugplatz Gatow investiert. Hier sollte auf 360 000 Quadratmetern die größte Siedlung für in die neue Hauptstadt ziehende Bundesbeamte entstehen. Doch die Bonner kamen nur spärlich nach Gatow und auch das Interesse der Berliner hält sich in Grenzen. Drei Jahre nach der Grundsteinlegung sind erst rund 150 der 1240 geplanten Eigenheime gebaut, steht selbst ein Teil dieser Häuser leer. Während man jetzt erwägt, das Projekt für zwei bis drei Jahre auf Eis zu legen, denken die ersten Häuslebauer bereits wieder an den Auszug.

Wo sich am Ritterfelddamm einst der Militärflugplatz Gatow befand, versperrt jetzt wieder ein Gitterzaun den Zugang. Dahinter erstreckt sich ein gut ausgebautes Netz von rund einem Dutzend Straßen. n von Flugpionieren wie Umberto Nobile und Edmund Rumpler stehen auf den an jeder Kreuzung vorhandenen Schildern. Doch Fahrbahnen und Gehsteige verbinden nur brachliegende Freiflächen, die mit Unkraut überwuchert sind. Bis Kommunalpolitiker vor einigen Monaten erfolgreich protestierten, brannten nachts sogar die Laternen. Doch hier gibt es weder Autos noch Passanten, und daran wird sich wohl auch vorläufig nichts ändern. Der zweite Bauabschnitt der Landstadt mit knapp 600 geplanten Einfamilienhäusern ist mangels Nachfrage auf Eis gelegt.

Auch im ersten Bauabschnitt sieht es traurig aus. Nur vier der 26 Baufelder konnten bisher an Investoren gebracht werden. Auf acht weiteren realisieren bisher rund 30 Familien ihren individuellen Traum vom Eigenheim. Die große Entfernung zur Innenstadt und die hohen Preise schrecken die Interessenten ab, hat Stadthaus-Geschäftsführer Torsten Birlem festgestellt. Deshalb hat seine Firma bisher auf die Realisierung ihres geplanten Baufeldes verzichtet. Wegen der hohen vom Bund diktierten Grundstückspreise ist man beim Verkaufspreis wenig flexibel, bestätigt Rainer Weber von Wohnbau Semmelhaack. Der größte Investor der Landstadt hat einen Teil seiner 80 Doppel- und Reihenhäuser vermietet, weil sich keine Käufer fanden. Von 20 im Bau befindlichen Doppelhaushälften konnten bisher nur drei verkauft werden. Seit der Einstellung der Berliner Förderung durch die Investitionsbank ist die Nachfrage auf dem Nullpunkt, so Weber. Auf zwei geplante Baufelder im zweiten Bauabschnitt, wo ein fertiges Straßennetz mit Gehsteigen und Laternen bisher von Unkraut überwucherte Brachflächen erschließt, wird verzichtet.

„Es läuft nicht so, wie es sich der Bund vorgestellt hat“, so Regina Wolter von der Bochumer Veba Immobilien Baupartner GmbH. Von den 39 Einfamilienhäusern, die man ab 1999 im ersten Bauabschnitt errichtet hat, sind noch immer nicht alle verkauft. 152 weitere Eigenheime liegen deshalb auf Eis. „Wir können erst weiterbauen, wenn sich die Nachfrage entwickelt.“

Zu diesem Zweck hat der Bund ein neues Vermarktungskonzept für die Landstadt europaweit ausgeschrieben. Am 20. September soll über den Zuschlag entschieden werden. Bei der beauftragten Agentur spricht man von einer „begrenzten“ Resonanz. Angesichts der konjunkturellen Lage werde der Bund ebenso wie private Projektentwickler erwägen müssen, mit der Weiterentwicklung der Landstadt zwei bis drei Jahre zu warten, so der Sprecher der Oberfinanzdirektion, Helmut John. „Einige unserer Nachbarn überlegen, ob sie wieder wegziehen sollen“, sagt Susanne Weyand aus Bonn, deren Familie den Versprechungen über die Landstadt im Grünen vertraut und ein Einfamilienhaus gebaut hat. Bund und Bezirk werfen sich gegenseitig vor, die Entwicklung zu behindern. Die Straße zum Ritterfelddamm ist ebenso wie die Haupterschließung zur Potsdamer Chaussee fertig, aber gesperrt. Der Bezirk verweigert die Abnahme, weil er nicht für Straßenschäden durch noch zu erwartende Baufahrzeuge aufkommen will, so Baustadtrat Carsten Röding (CDU). Außerdem streitet man um Unterhaltungsvorschüsse.

Jetzt erwägt der Bund, aus haftungsrechtlichen Gründen auch die offenen Straßen zu sperren und nur den Anwohnern die Einfahrt zu ermöglichen, sagt Helmut John von der Oberfinanzdirektion. Auf den versprochenen Supermarkt warten die ersten Bewohner der Landstadt seit einem Jahr vergeblich. Wegen der bisher geringen Anwohnerzahl wäre ein Betreiber auf Kunden auch aus umliegenden Ortsteilen angewiesen, doch verweigert der Bezirk die Genehmigung ausreichender Parkplätze. „Wir wollen keinen überregionalen Supermarkt", kontert der Leiter des Stadtplanungsamtes, Walter Göllner.

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