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Lange Buchnacht: Kreuzbergs gute Seiten

Heute ist Lange Buchnacht in der Oranienstraße: 150 Lesungen an 50 Orte - und das kostenlos. Schon ab dem Nachmittag gibt es ein großes Programm für Kinder und Jugendliche.

Reinrauschen und begeistert sein ist eins: Elisabeth Herrmann steht in der Buchhandlung „Dante Connection“ am Oranienplatz und quietscht: „Ich habe eine eigene Tüte – die ist besser als ein Bundesverdienstkreuz!“ Zuvor hatte ihr Buchhändlerin und Lange-Nacht-Mitgründerin Stephanie Hetze die mit Herrmanns Neuerscheinung bedruckte Papiertasche in die Hand gedrückt. „Lilienblut“ heißt der werbetütentaugliche Jugendthriller, aus dem die Krimiautorin heute bei der Langen Buchnacht im Kreuzberger Wirtshaus Max & Moritz liest.

Zum zwölften Mal wandelt sich die Oranienstraße zwischen Moritzplatz und Görlitzer Bahnhof samt einigen Seitenstraßen Sonnabend zum Treffpunkt der Bücherfans. 50 Orte, 150 Veranstaltungen, zuletzt 15 000 Besucher lautet die Statistik. Aber was sagen schon Zahlen, wenn es in jedem der vorgestellten Bücher eine ganze Welt zu entdecken gibt. Diesmal schon ab dem frühen Nachmittag mit dem bisher größten Programm für Kinder und Jugendliche, wie Stephanie Hetze sagt.

Mit deren Lesevorlieben kennt sich die Schmargendorferin Elisabeth Herrmann, die auch als Fernsehreporterin für die „Abendschau“ arbeitet, aus. Ihre Tochter ist zwölf und liest eine 480-Seiten-Schwarte wie „Lilienblut“ (cbt) mal eben so als „dünnes Buch“ weg. Die romantisch-gruselige Mord- und Liebesgeschichte unter Teenies spielt ausnahmsweise am Rhein. Auf die Krimibestsellerliste hat Elisabeth Herrmann es aber mit ihren Berlin-Krimis um den Charlottenburger Anwalt Joachim Vernau geschafft. Der Erstling „Das Kindermädchen“ von 2005 verkaufte sich 100 000 Mal und wird jetzt vom ZDF verfilmt.

Woher die blutige Vorliebe? „Weil mir Messer und Knarre zücken mehr entspricht als Liebesgesäusel“, sagt die Frau mit der eigenen Tüte. Außerdem reize sie die logische Kniffelarbeit in diesem notorisch unterschätzten Genre. Für ihr nächstes Buch, einen Spionagethriller, lässt sie sich von einem ehemaligen BND-Agenten beraten. Das raue, von der Öffnung Richtung Osteuropa geprägte Berlin spielt eine wichtige Rolle in Herrmanns Büchern. „Wir sind hier weder pariserisch noch italienisch, sondern preußisch-polnisch“, sagt sie grinsend.

Eine Stadt der Schriftsteller sei Berlin schon, findet die Autorin, aber keine Stadt der Bücher. Warum? „Bücher haben keinen Glamour“, sagt Elisabeth Herrmann. Die würden in Berlin einfach nicht geachtet. Große Literaturveranstaltungen verröchelten hier eher früher als später auf Kreisliganiveau, und im Gegensatz zu München und Hamburg verstaubten die Literaturhäuser. „Aber bei der Langen Buchnacht – da funkelt was, da lebt das Buch“, sagt die Schriftstellerin, die schon zum dritten Mal mitmacht.

Und dabei ist natürlich nicht nur sie, sondern sind unter anderem auch Benedict Wells, Linus Reichlin, Tom Finnek, Jakob Hein, Iris Hanika, Toni Mahoni, Hans-Ulrich Treichel, Thomas Kapielski, Hilal Sezgin, die Brauseboys, Jutta Bauer, Knut Kohr oder Mani Beckmann.

„Das Publikum bei der Langen Buchnacht ist jünger und brutaler als sonst“, sagt Elisabeth Herrmann, die wie alle Autoren beim kostenlosen Lesespektakel keine Gage bekommt. Die kämen später und gingen dafür einfach nach zehn Minuten wieder, wenn es ihnen nicht gefalle. Sie hat nichts dagegen, wenn eine Bücherlesung wie bei Bestsellerautor Frank Schätzing zum Event wird. „Viele Lesungen sind einfach zu lahmarschig, zumindest vorlesen muss ein Autor können.“

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