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Berlin: „Lass mich raus, Meister!“

Flüchtlinge warten in Köpenick monatelang auf ihre Abschiebung – und hungern aus Protest gegen die Haftbedingungen erneut / Polizei kündigt Verbesserung an

Das grüne Stahltor öffnet sich langsam, lautlos und automatisch. Wer es durchschreitet, blickt auf hohe Gitter, Stacheldraht und die Mauern des Köpenicker Abschiebegewahrsams. 309 Ausländer sitzen derzeit dort ein. 74 von ihnen sind seit Montag im Hungerstreik. Sie protestieren gegen lange Haftzeiten, schlechte medizinische Versorgung und das zum Teil rohe Auftreten des Personals. „Man hat uns nach dem Streik im Januar viel versprochen“, sagt ein 26-jähriger Moldawier. „Aber nichts gehalten.“

Innengitter vor den Fenstern sollten entfernt, Trennscheiben in den Besucherräumen beseitigt werden. Nichts ist passiert. Die Anstaltsleitung verlängerte lediglich den täglichen Ausgang. Doch das nützt dem jungen Häftling, der seinen Namen nicht nennen will, nichts. Die Polizei nahm ihn fest, als es noch warm war. „Ich habe nur kurze Hosen“, sagt er. „Ich kann nicht rausgehen.“ Der 26-Jährige war erst wenige Tage in Berlin, als die Polizei ihn aufgriff. Weil er weder Papiere noch einen Aufenthaltsstatus hatte, erweckte er bei der Ausländerbehörde den Verdacht, er wolle sich einer Abschiebung entziehen. Er kam nach Köpenick. Von dort sollte es direkt zurück nach Moldawien gehen. Seit viereinhalb Monaten wartet er bereits auf diesen Tag. „Häftlinge erhalten keine Informationen über den Stand ihrer Abschiebung“, sagt er. „Ich weiß nicht, wann es zurückgeht.“ Mit seinem Hungerstreik will sich der junge Mann gegen das für ihn undurchsichtige Verfahren wehren. Aus Verzweiflung über seine ungewisse Situation versuchte sich ein Russe am Montagabend das Leben zu nehmen, einige Häftlinge fügten sich mit Messern Wunden zu. „Das ist mehr als nur eine Drohgebärde“, glaubt Seelsorger Dieter Ziebarth. „Das ist ganz ernst.“

An Selbstmord hat der junge Moldawier nicht gedacht. „Lass mich raus, Meister“, sagt er scherzhaft zu dem Polizeibeamten, der ihn vom Besucherraum zurück in die Zelle bringt. Der Beamte verzieht keine Miene, der junge Mann grinst. Er will nicht mutlos erscheinen. Dabei fällt ihm das nicht leicht. Im Abschiebegewahrsam sind die Tage lang. Die Häftlinge versuchen in den Sechs-Mann- Zellen und dem 40 Meter langen Gang davor die Zeit totzuschlagen. „Wir sind nervös, viele werden krank“, sagt der 26-Jährige. Die medizinische Betreuung sei jedoch mangelhaft. Er selbst bekam bei einer heftigen Erkältung nur Halsschmerztabletten ausgehändigt. Einem an Hepatitis erkrankten Georgier sei eine Blutprobe verweigert worden.

Forderungen nach einer besseren ärztlichen Versorgung seien mehrfach untersucht worden, sagt dagegen Harald Wunderlich, Referent des Polizeipräsidenten. Mängel seien nicht festgestellt worden. „Einige Häftlinge gehen einfach davon aus, dass sie schlechter als Deutsche behandelt werden.“ Manchen sei nicht einmal klar, wie sie einen Arzt erreichen. „Es wird eine bessere Aufklärung geben“, sagte Wunderlich nach dem gestrigen Gespräch von Anstaltsleitung und Häftlingen. Verbessert werden soll auch der Kontakt mit der Ausländerbehörde. Nach Wunderlichs Angaben stellten gestern 60 Häftlinge ihre Streik wieder ein. Der 26-jährige Moldawier bleibt skeptisch. Einige Wachleute gingen grundlos roh mit den Häftlingen um, nannten ihn „ dreckiger Arsch“, sagt er. „Ich kann zwar eine Anzeige schreiben. Doch was nützt das?“

Frauke Herweg

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