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Berlin: Lasst uns in Ruhe

Eine Alternative zur eingefahrenen Clubszene: die „Ruf-mich-nie-wieder-an“-Bar

Saure-Gurken-Zeit: Nur Optimisten suchen in diesen Tagen Abwechslung in den Clubs. Das Programm wird überall ausgedünnt, oder auf ein touristisches Publikum zugeschnitten. Die in der Stadt verbliebene Ausgeh-Gesellschaft versucht den frühen Abend in Biergärten zu überbrücken, danach wird die Stadt nach einer angenehmen Party durchforstet.

Die Zeiten, als Mailinglisten noch vor guten Tipps überquollen, sind im Sommerloch erst einmal vorbei. Nur wenige Enthusiasten halten in ihren Off-Locations die Stellung. Viele Partys finden zudem nur im halböffentlichen Rahmen statt, ohne Einladung heißt es: Draußen bleiben! So ist auch der eines winzigen Clubs in Mitte eher abweisend für den suchenden Nachtschwärmer: „Ruf mich nie wieder an!“ Mag bedeuten: „Lass mich in Ruhe!“ oder: „Versuch’ es bloß nicht noch einmal.“

So öffnet der gleichnamige Verein seine Kellerräume nur für Mitglieder oder deren Bekannte. Wem die Adresse nicht per E-Mail beschrieben wird, hat es ohnehin schwierig, zufällig auf den Club zu stoßen. Keine Fotos machen, keine Adresse drucken: alles soll entre nous bleiben. Auf einem chaotisch aussehenden Hinterhof muss man den unscheinbar aussehenden Eingang erst noch suchen. Nach draußen dringt kaum ein Geräusch. Eine Ampel daneben zeigt an, ob überhaupt noch jemand reingelassen wird. Steht sie auf rot, ist es aussichtslos.

Hinter der Tür wird gleich eine Einladung verlangt. Über schlauchartig anordnete Räume kommt man zuerst an mehreren gemütlichen Sitzecken vorbei, kann einen Drink an der kleinen Bar nehmen und landet zwangsläufig auf dem engen Dancefloor, der in diesen Tagen locker die Temperatur vieler Saunen erreicht. Gerade heizt der DJ mit einem atemberaubenden Hitprogramm zusätzlich ein, als wolle er ausprobieren, wie viele Tänzer tatsächlich in einen 30-Quadratmeter-Raum passen. Eine kleine Spiegelkugel und alte New-York-Aufnahmen im Diaprojektor – das langt für die Ausstattung der Tanzfläche.

Erträglich ist die Hitze nur an der Bar, wo vier große Lampenschirme ein fahles blaues Licht ausstrahlen. Gleich daneben wird eine Steintafel „Volkspolizei Inspektion Berlin - Hohenschönhausen“ wie ein Heiligtum hinter Glas präsentiert.

Ein vorgefundenes Relikt. Früher wurde hier im Souterrain noch gewohnt, jetzt drängt sich ein szeniges Publikum durch die Räume. Im „Ruf mich nie wieder an“ ist man unter sich, kann Freunde treffen, die intime Atmosphäre genießen. Rote Leuchtkästen mit eigenwilligen Comics sind das einzige Design, der Rest des Interieurs wurde angenehm improvisiert. Für das Gefühl, einen guten Club aufgesucht zu haben, reicht das allemal. Henning Kraudzun

Anfragen per E-Mail: info@ruf-mich-nie-wieder-an.de

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