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Berlin: Latein-Gymnasien dürfen wieder die Besten auswählen Nach vehementen Protesten nimmt Senator Böger das Wohnortprinzip für altsprachliche Gymnasien zurück. Bewerber mit guten Noten haben Vorrang

Als Erstem platzte Günter Jauch der Kragen: Ende August beschwerte sich der Fernsehmoderator öffentlich darüber, dass altsprachliche Schulen wie „sein“ Gymnasium Steglitz ihre Kinder nicht mehr nach Leistung, sondern nach dem Wohnortprinzip aussuchen müssen. Dann meldeten sich auch andere Kritiker zu Wort, sprachen von Gleichmacherei und forderten eine Änderung der Aufnahmebestimmungen.

Als Erstem platzte Günter Jauch der Kragen: Ende August beschwerte sich der Fernsehmoderator öffentlich darüber, dass altsprachliche Schulen wie „sein“ Gymnasium Steglitz ihre Kinder nicht mehr nach Leistung, sondern nach dem Wohnortprinzip aussuchen müssen. Dann meldeten sich auch andere Kritiker zu Wort, sprachen von Gleichmacherei und forderten eine Änderung der Aufnahmebestimmungen. Jetzt hat Bildungssenator Klaus Böger (SPD) ein Einsehen: Er will das erst seit einem Jahr vorgeschriebene Wohnortprinzip streichen.

„Eine entsprechende Rechtsverordnung ist in Vorbereitung“, verkündete gestern der Sprecher der Senatsverwaltung für Bildung, Jens Stiller. Außerdem werde Böger die Schulleiter der neun altsprachlichen Gymnasien nach den Herbstferien einladen, um mit ihnen über andere Aufnahmekriterien zu beraten. Bis dahin fordert er die Leiter schon mal auf, Eltern „sehr intensiv“ zu beraten, damit sie ihre Kinder bei der Auswahl der Schulen nicht überfordern.

Für einige Kinder kommt dieser Appell zu spät. Infolge des neuen Schulgesetzes mussten die Schulen, die ab Klasse 5 mit Latein anfangen, in diesem Sommer alle Schüler aufnehmen, die eine Gymnasialempfehlung hatten. Diese Empfehlung kann man aber sogar mit etlichen „Dreien“ auf dem Zeugnis bekommen. In einigen Schulen hat diese Regelung dazu geführt, dass sich bereits sechs Wochen nach Schulbeginn die ersten Fünftklässler nach anderen Schulen umsehen, weil sie den Anforderungen nicht gewachsen sind. Von „deprimierenden Elternabenden“ ist die Rede.

„Diese Regelung war ein totaler Fauxpas, ein gezielter Angriff auf die altsprachlichen Schulen und nachteilig für die Kinder“, urteilt Jutta Randelhoff- Szulczewski vom Reinickendorfer Bertha-von-Suttner-Gymnasium. Das Wohnortprinzip sei „schlimmer als losen“, denn beim Losen hätten die leistungsstarken Kinder, die weiter entfernt wohnten, zumindest eine Chance. Ihre Kollegin vom Wilmersdorfer Goethe-Gymnasium spricht von der „Absurdität“ der neuen Regelung, und Harald Mier vom Verband der Oberstudiendirektoren nennt es „unsozial und ungerecht“, wenn Kinder nur wegen ihres Wohnortes keine Chance auf eine altsprachliche Ausbildung hätten.

Gerhard Schmid von der CDU vermutet, dass die eher von bürgerlichen Schichten frequentierten Lateinschulen dem „Einheitsschuldenken der SPD“ geopfert werden sollten. Deshalb habe man ihnen das Recht genommen, Bewerber nach Leistung auszuwählen. Die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Felicitas Tesch, gab gestern auf Anfrage zu, ihr sei „gar nicht bekannt“, dass das Schulgesetz in diesem Punkt geändert worden sei.

Andere Schulprofile werden von der Politik besser behandelt. So können sich die so genannten Schnellläufer-Gymnasien und die beiden mathematisch-naturwissenschaftlichen Schulen ab Klasse 5 ihre Schüler per Eignungstests aussuchen. Ob es künftig für die Lateinklassen auch Eignungstests geben könnte, ist noch offen. Die Schulleiter wären schon froh, wenn, so wie früher, eine glatte Zwei in allen Hauptfächern als Aufnahmekriterium festgelegt würde. Möglicherweise werden sie dem Senator das nach den Herbstferien mitteilen. Ob es noch für das kommende Schuljahr greift, lässt sich nicht sagen. Der Anmeldezeitraum liegt zwischen dem 20. Februar und dem 3. März.

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