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Berlin: Lauschen erlaubt

Julie Delpy ist nicht nur Filmstar, sondern auch eine gefeierte Sängerin Am Sonnabend tritt die Französin im Big Eden auf

Julie Delpy klingt hektisch. „Ich habe viel Energie“, sagt sie mehrmals. Und: „Ich muss mich künstlerisch ausdrücken, sonst bekomme ich Bauchschmerzen.“ Sie redet schnell. Als müsste sie ihre Film-Romanze Jesse aus „Before Sunset“ von einer politischen Meinung überzeugen. Oder davon, dass all dieser Stress zu etwas führen wird. Das Singen, das Song- und Drehbuchschreiben, das Schauspielern und Regieführen. Momentan ist sie mit ihrem Album auf Tour. Neun deutsche Städte in elf Tagen liegen vor ihr. Am Sonnabend tritt sie im Big Eden auf.

Vor einem Jahr war sie schon einmal in der Stadt, in der Kulturbrauerei. Delpy saß rauchend auf der Bühne und sang Rock-Lieder. „Die Stimmung war gut, aber ich hatte ein wenig das Gefühl, dass mich das Publikum zu etwas drängen wollte, das ich nicht wollte.“ Darum wird jetzt alles anders. „Dieses Jahr sind meine Konzerte insgesamt ruhiger.“ Den Bassisten hat sie deshalb zu Hause gelassen. „Außerdem rauche und trinke ich nicht mehr. Und gehe früh zu Bett“, sagt die 35-Jährige und lacht – eben genau das Gegenteil, was viele von einer Rock-Sängerin erwarten. Und sie wolle auch keine drei Stunden füllen. Sie sei ja keine Julie Springsteen. 90 Minuten müssten reichen.

Irgendwo muss die Energie für ihre anderen Projekte herkommen. Schließlich arbeitete die Pariserin mit berühmten Regisseuren: Kieslowski, Kaurismäki, Schlöndorff, Godard. Sie schrieb am Drehbuch von „Before Sunrise“ und „Before Sunset“ mit, für viele die romantischsten Filme überhaupt. „Dabei hätte ,Before Sunrise‘ beinahe in Berlin gespielt“, sagt sie. „Aus Drehgründen entschieden wir uns dann doch für Wien.“ Sie hat auch schon drei Kurzfilme gedreht, die sie selbst produzierte.

Doch ihr genügte das alles nicht. „Schreiben, Regieführen oder Schauspielern – dazu braucht man viel Geld, Beziehungen oder Zeit. Bei der Musik brauche ich nur meine Gitarre.“ Singen sei viel unmittelbarer, sagt sie und ergänzt: „Es fühlt sich nicht wie Arbeit an.“ Dass es mit dem Singen so gut laufen würde, habe sie nicht geahnt. Die Grundlage dafür war ihre klassisch-musikalische Ausbildung im Chor und an der Klarinette. Aber um eine Band wie „The Delpys“ – alles Ex-Ehemänner von ihr, wie sie sagt – zu leiten, braucht es auch Durchsetzungskraft. „Das Schöne am Leiten einer Gruppe“, sagt Julie Delpy, „ist, Kontrolle zu haben und trotzdem nett sein zu können.“ Es komme eben darauf an zu erkennen, wann man sich durchsetzen muss und wann die Ideen der Kollegen Raum bekommen sollten. „Ich bin jedenfalls keine Diktatorin“, sagt Delpy. „Ich bin eher ein freundlicher Boss.“

Und erfolgreich dazu: Seit zwei Jahren ist ihr Album „Julie Delpy“ auf dem Markt. Es verkauft sich noch immer gut und wurde von Kritikern gelobt. Die „zarte Stimme“ sei „bezaubernd“, die Texte „persönlich“. Dabei sind nur wenige Songs tatsächlich von ihrem Leben inspiriert. Meist lässt sie sich von Geschichten anderer Menschen anregen. Am liebsten geht sie dazu in ein Café und beobachtet Menschen – die Wollmütze tief in die Stirn gezogen. „Ich höre den Leuten gern zu“, sagt sie und meint, sie lausche gern. Zum Beispiel bei dem älteren Paar, das sich ausgerechnet ein Thai-Restaurant ausgesucht hat, um seine Beziehung zu beenden. Dieses belauschte Gespräch inspirierte Julie Delpy zu einem Lied: „Pap Thai“, eine thailändischen Spezialität. Auch dieses Lied wird Julie Delpy im Big Eden singen. Lauschen ist dabei ausdrücklich erlaubt.

Julie Delpy live, Big Eden, Kurfürstendamm 202, 23. Juli, 22 Uhr, 14 und 18 Euro, Tickettelefon 533 20 30

Sören Kittel

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