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Lebensmittelkontrolle: Berlinweites Hygiene-Barometer verzögert sich

Pankow führt die Lebensmittel-Smileys wieder ein, denn es gibt Streit um Prüfberichte im Internet. Eine Frage ist: Verdient ein Gastwirt Schutz, in dessen Küche tote Ratten liegen?

Von Fatina Keilani

Die Fotos verderben einem schnell den Appetit – schimmlige Lebensmittel, verdreckte Fußböden, pilzige Kühlschränke mit unbedecktem Essen darin: Was das Bezirksamt Pankow an Bildern von Lebensmittelkontrollen ins Internet gestellt hat, ist ekelerregend. In vielen Bezirken wird der Kunde dies aber vorerst nicht oder verspätet erfahren – es wird noch gestritten, ob Wirte Widerspruch gegen die Veröffentlichung einlegen können.

Jeder Bezirk handhabt das anders, und so kommt es, dass es auf der Internetseite www.berlin.de/sicher-essen beispielsweise über Lichtenberg bereits 64 Prüfergebnisse aufgelistet sind, über Neukölln aber nur eines. Und drei Bezirke tauchen gar nicht auf. Pankow ist von dem ganzen Hickhack so genervt, dass sich der Bezirk seiner Vorreiterrolle besann und nun auf Bewährtes zurückgreift: Ab November kommt der Smiley zurück, und es werden Details der Prüfungen ins Internet gestellt – also nicht nur die Zahl der Minuspunkte, sondern auch die Gründe dafür. Am berlinweiten System nimmt der Bezirk weiter teil.

„Ich habe keine Lust, mir unsere Erfolge von irgendwem kaputtmachen zu lassen, der meint, dass tote Ratten in der Küche schützenswert sind“, sagt Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne). Sein Bezirk hatte 2009 eine Positivliste, eine Negativliste und die Smileys eingeführt. Dann kam das Thema bundesweit auf die Tagesordnung: Auf der Grundlage des Verbraucherinformationsgesetzes sollte es das Hygienebarometer als einheitliche Lösung geben. So beschlossen es die Verbraucherschutzminister am 19. Mai auf einer Sonderkonferenz in Bremen.

Doch die Wirtschaftsministerkonferenz lehnte das zweieinhalb Wochen später ab, weil sie – wie Handelskammer und Gewerbetreibende – befürchteten, dass von dem Prüfergebnis eine Prangerwirkung ausgehen könne. Daraufhin beschloss die nächste Verbraucherschutzministerkonferenz am 16. September in Bremerhaven, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, in der Vertreter beider Seiten Lösungen finden sollen. Der ursprünglich avisierte Termin Januar 2012 für das Inkrafttreten ist damit nicht mehr zu halten.

Lesen Sie auf Seite 2, welche Probleme - und welchen Streit - es speziell in Berlin gibt.

Berlin ist grundsätzlich willig, hat aber Dank seiner Bezirksstruktur noch andere Probleme: Die Bezirke streiten darum, ob es vor der Eintragung der Prüfergebnisse ins Internet ein Anhörungsverfahren geben muss oder nicht. Dies wird von Bezirk zu Bezirk unterschiedlich gehandhabt, so dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis der erste Rechtsfall beim Verwaltungsgericht eingeht.

Kirchner ist sauer. Der Senat habe es versäumt, den Bezirken durch eine Verwaltungsvorschrift mitzuteilen, wie vorzugehen ist. „Wir sagen, es reicht völlig, die Gewerbetreibenden darüber zu informieren, dass das Ergebnis der Prüfung ins Internet gestellt wird – ohne rechtsmittelfähigen Bescheid“, sagt Kirchner. Das sei vom Verbraucherinformationsgesetz gedeckt.

So sehen das einige Bezirke, aber nicht alle – wie das Beispiel Neukölln bestätigt. „Die Prüfer sind in allen Bezirken gleich faul oder fleißig“, erklärt Neuköllns stellvertretende Ordnungsamtsleiterin Anja Stein. „Aber wir meinen, Verwaltungshandeln muss rechtmäßig sein, deshalb machen wir ein Anhörungsverfahren. Andere sehen die Eintragung in die Datenbank als Realakt. Das geht dann viel schneller.“ Nach Steins Ansicht wäre es wichtig, die Rechtsnatur dieses Verwaltungshandelns zu klären, sonst komme man auch in eine Gleichbehandlungsproblematik.

Das ist der Grund, warum drei Bezirke noch gar keine Einträge in der Datenbank haben – neben Spandau ausgerechnet Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg mit ihrer hohen Kneipendichte. „Wir haben keine Möglichkeit, die Bezirke zu irgendwas zu zwingen, wenn deren Rechtsämter anderer Meinung sind“, sagt Marie- Luise Dittmar, Sprecherin der Gesundheitsverwaltung. Das sieht Kirchner allerdings anders. Genau dafür sei die Verwaltungsvorschrift doch da – eine einheitliche Rechtsanwendung der Behörden zu gewährleisten. Abzuwarten bleibt, wie der neue Senat das Problem löst.

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