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Berlin: Lehrer außer Kontrolle

Das Landesbeamtengesetz schreibt regelmäßige Beurteilungen von Pädagogen vor – doch die fallen in Berlin seit vielen Jahren aus

Blackbox Klassenraum: Entgegen den gesetzlichen Vorschriften sind tausende Lehrer seit Jahrzehnten nicht mehr im Unterricht dienstlich beurteilt worden. Die Mehrzahl der Schulräte wird nur noch bei Beschwerden, Beförderungen oder Verbeamtungen tätig. Die CDU spricht von einer „ungeheuerlichen Verwahrlosung“, der Verband der Oberstudiendirektoren von einem „Stück Berliner Tollhaus“. Der Lankwitzer Schulleiter Wolfgang Harnischfeger, ein Mann in den Fünfzigern, kann sich nicht daran erinnern, dass die gleichaltrigen Lehrer in seiner Schule jemals eine Regelbeurteilung erlebten.

„Das ist kein Einzelfall“, gibt Schulrätin Sabine von Borczykowski zu. Es sei einfach „nicht zu schaffen gewesen“. Aber von Verwahrlosung will sie nichts wissen, denn „bei Beschwerden wurden wir aktiv“. Nur „bei Beschwerden“ aktiv zu werden, reicht nach Meinung des Landeselternsprechers André Schindler aber bei weitem nicht aus. Für ihn ist die jetzige Praxis schlicht „Schlendrian“. Er fordert eine Erfolgskontrolle – so wie sie „in jedem Beruf üblich ist“. Denn immer wieder müssten Eltern erleben, dass Lehrer jahrzehntelang nicht zur Rechenschaft gezogen würden, wenn sie schlecht vorbereitete Klassen abgeben, wenn sie den Schülern nicht gewachsen sind oder sich offenkundig nicht um moderne Unterrichtsmethoden bemühen. Auch Lehrer untereinander müssten „endlich Tacheles reden“, wenn sie bemerkten, dass ein Kollege nicht zurechtkomme, fordert Schindler.

Bisher ist dies nicht üblich. „Viele Lehrer sprechen nicht über ihren Unterricht und die Probleme in ihren Klassen“, hat auch Jens Stiller festgestellt, der seit zwei Jahren als Lehrer arbeitet. Dabei hielte er einen Austausch und ein Feed-back für sehr wichtig. Er begrüßt es deshalb, dass das neue Schulgesetz neue Voraussetzungen schafft: Wie berichtet, sollen künftig nicht mehr die Schulräte, sondern die Schulleiter für die dienstlichen Beurteilungen zuständig sein. Zurzeit erarbeitet die Senatsbildungsverwaltung in Zusammenarbeit mit Schulleitern einen Multiple-Choice-Katalog, der Schulleitern helfen soll, ohne allzu großen Aufwand regelmäßig alle Kollegen beurteilen zu können. Bildungssenator Klaus Böger (SPD) setzt jetzt darauf, dass „Zug um Zug“ die Versäumnisse aufgeholt werden. Er bedauert es, dass die gesetzlich vorgeschriebene Regelbeurteilung im Schulbereich „weggedrückt“ wurde.

Wie das überhaupt passieren konnte, fragt sich auch der Vorsitzende des Beamtenbundes, Joachim Jetschmann. In anderen verbeamteten Berufsgruppen sei es üblich, Fristenkalender zu führen. Damit werde sichergestellt, dass die vorgeschriebenen Beurteilungen nicht einfach wegfielen. Denn sie seien als „Korrektiv“ für die Verbeamtung auf Lebenszeit unerlässlich.

Bei den Schulleitern geht die Meinung über den Sinn dienstlicher Regelbeurteilungen auseinander. Harald Mier, Leiter des Zehlendorfer Schadow-Gymnasiums, hält die Versäumnisse für ein „Unding“. Dagegen betont Erhard Laube von der Schöneberger Spreewald–Grundschule, dass es die Regelbeurteilung allein auch nicht bringe, wenn dem Lehrer keine Hilfen angeboten würden. Es müsse endlich eine echte Personalentwicklung im Schulbereich geben und eine Vorstellung davon, was Lehrer leisten müssen.

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