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Berlin: Lehrter Bahnhof und Nord-Süd-Tunnel: Das komplizierteste Dach der Welt darf gebaut werden

Lichtblick am Lehrter Bahnhof: Nach langem Warten ist jetzt die Genehmigung für die Stahlkonstruktion des gewaltigen Glasdaches erfolgt. Noch vor Weihnachten soll der weitere Terminplan feststehen.

Lichtblick am Lehrter Bahnhof: Nach langem Warten ist jetzt die Genehmigung für die Stahlkonstruktion des gewaltigen Glasdaches erfolgt. Noch vor Weihnachten soll der weitere Terminplan feststehen. Bahnchef Hartmut Mehdorn jedenfalls hat immer noch vor, den Betrieb im Jahr 2006 aufnehmen zu lassen, möglichst zur Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer. Doch daran glaubt kaum noch einer der Planer.

Urspünglich sollte das Dach jetzt schon fertig sein. Die Dachbauer allerdings konnten nicht loslegen, weil das Eisenbahn-Bundesamt die Genehmigungen nicht erteilt hatte. An dieser weltweit wohl einmaligen Konstruktion hatten sich die Behörden fast die Zähne ausgebissen. Fast alle Ingenieurbüros Deutschlands seien damit beschäftigt gewesen, sagt Michael Baufeld, der Sprecher der DB Projekt Verkehrsbau.

Der Entwurf des Hamburger Architektenbüros von Gerkan, Marg und Partner geht an die Grenzen des derzeit technisch Machbaren. Das Dach überspannt in Ost-West-Richtung auf einer Länge von insgesamt 430 Metern in maximal 16 Meter Höhe drei Bahnsteige, die in einer Kurve liegen. Die Spannweite variiert deshalb von 46 bis 68 Meter. Kein Stück der insgesamt rund 11 000 Einzelscheiben gleicht dem anderen. Damit die stützende Stahlkonstruktion filigran ausfallen kann, ist eine zusätzliche Sicherung gegen Wind und Schneelasten durch Stahlseile erforderlich. Und das Ganze steht auf insgesamt 700 Meter langen Brücken.

Unterbrochen wird diese Konstruktion etwa in der Mitte durch eine 180 Meter lange und 27 Meter breite Halle in Nord-Süd-Richtung, die durch zwei bügelartig die Stadtbahn überspannende, 46 Meter hohe Gebäude, die so genannten Bügelbauten, eingerahmt werden sollen. So wollen die Architekten den 15 Meter unter der Erdoberfläche liegenen Bahnhof der Nord-Süd-Trasse sichtbar machen. Aus Geldmangel wollte die Bahn auf dies Bügelbauten verzichten, doch jetzt sei sie kurz vor dem Abschluss eines Vertrags mit einem Investor, heißt es.

Beim Bau ist fast alles ungewöhnlich. Die Arbeiten am größten Kreuzungsbahnhof Europas hatten 1995 begonnen, ohne dass eine Gesamtgenehmigung für das Mammutprojekt vorlag. Die Bahn wollte alles gleichzeitig: planen, genehmigen lassen und bauen. Das ging gründlich schief. Die Kosten erhöhten sich von kalkulierten 800 Millionen Mark auf mindestens eine Milliarde Mark, und der Zeitplan war nicht mehr einzuhalten. Sollten die ersten Züge im Nord-Süd-Tunnel einst bereits im Jahr 2000 fahren, wäre Mehdorn inzwischen froh, wenn er demnächst verkünden könnte, dass es nun tatsächlich 2006 soweit ist. Experten rechnen bereits mit 2008 oder 2009.

Sogar an den Super-GAU (Größter anzunehmender Unfall) hatten sie vorübergehend schon gedacht und bereits erwogen, die neu gebauten Brücken für die Ost-West-Trasse wieder abzureißen. Zeitweise war nämlich nicht klar, ob die Brücken die Belastungen durch das ungewöhnliche Dach überhaupt aushalten würden.

Wenn jetzt im Februar mit fast einem Jahr Verspätung gegenüber der ursprünglichen Planung mit der Montage des Daches begonnen wird, wollen die Dachbauer bis September mit ihrer Arbeit fertig sein. Noch fehlt zwar die Genehmigung für die Glasteile, doch hier sind die Probleme nicht so groß wie bei der Stahlkonstruktion, sagen sie.

Erst wenn das Dach steht, können die Gleise auf ihre neue Trasse gen Süden verschwenkt werden. Arbeiten am Dach bei laufendem Betrieb lässt das Eisenbahn-Bundesamt nicht zu. Während der Verschwenkung, für die ebenfalls noch die Genehmigung fehlt, muss der Zugverkehr für mehr als nur ein Wochenende unterbrochen werden. Nacheinander sind die Gleise der Fern- und der S-Bahn an der Reihe.

Dann kommt auch der Abschied vom Lehrter Stadtbahnhof, der Station für die S-Bahn, die noch aus dem Eröffnungsjahr 1882 der Stadtbahn stammt. Der Stadtbahnhof steht dem Zentralbahnhof im Weg. Die Anlage sei trotz einer rund 10 Millionen Mark teuren Sanierung zur 750-Jahr-Feier Berlins 1987 so marode, dass sie nicht mehr woanders aufgebaut werden könne, sagt Baufeld, was auch erwogen worden war. "Beim Abbau wird sie praktisch auseinander fallen".

Dann entsteht dort die letzte Baugrube für den unterirdischen Teil des Bahnhofes - so groß wie drei Fußballfelder. Südlich und nördlich davon ist die Nord-Süd-Halle mit vier Bahnsteigen im Rohbau fertig. Kommt es beim letzten Abschnitt zu Problemen, ist der Zeitplan für 2006 endgültig passé. Und die Schwierigkeiten sind nicht viel geringer als beim Dach.

Erst wenn auch beim letzten Bauabschnitt der Rohbau steht, kann der parallel zur Bahn verlaufende Straßentunnel eröffnet werden, der den Verkehr aus dem Regierungsviertel heraushalten soll. Die Tunnel liegen zwischen dem Kanzleramt und dem Jakob-Kaiser-Haus des Bundestags unter dem einst geplanten Bundesforum. Etwa 2004 könnten die Autos ihre Röhre nutzen, sagt Baufeld. Wenn alles gut geht.

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