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Herrscher der Lüfte. Einleiner, Mehrleiner, Lenkdrachen, Kampfdrachen, Aeroskulpturen – beim Drachen steigen lassen gibt es nichts, was es nicht gibt. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dapd

© dapd

Berlin: Leinenzwang für Luftikusse

Drachen steigen lassen heißt jetzt Kiting und ist nicht nur angesagt beim Fest im Britzer Garten

Da ist dieser besondere Moment, wenn plötzlich Zug auf der Leine ist. Und wenn der Drache nicht, wie bei den erfolglosen Versuchen zuvor, nach einem kurzen Trudeln in der Luft die Nase in den Boden rammt, sondern von der Strömung getragen wird. Dieser beglückende Moment, in dem der Mensch am anderen Ende der Leine sich ein wenig so fühlen kann, als würde eigentlich er da oben fliegen. Früher fuhren die Eltern mit den Kindern zum Drachen-steigen-lassen im Herbst meist irgendwo hinaus auf einen Stoppelacker oder ließen im Urlaub am Strand einen Drachen steigen.

Durch den Aufwind, den das Drachen-steigen-lassen – auf Neudeutsch Kiting – in den letzten Jahrzehnten erfahren hat, sieht man die bunten Flugobjekte inzwischen an vielen Stellen in der Stadt, etwa auf dem Teufelsberg im Grunewald, dem Tempelhofer Feld, der Lübarser Höhe, der Domäne Dahlem, im Freizeitpark Marienfelde, im Mauerpark oder auch auf der Wiese vor dem Reichstagsgebäude. Besonders viele Drachen werden am Sonntag im Britzer Garten gemeinsam am Himmel stehen, dort findet im Rahmen des Herbstfamilienfestes von 11 bis 17 Uhr das Luft-, Flug- und Drachenfest Luftikus statt. Anlass ist der Internationale Drachenflugtag, der unter dem Motto „One Sky One World“ für den Frieden wirbt. Neben vielen spektakulären und farbenprächtigen Drachen-Vorführungen gibt es dort auch Modellflugzeugshows, ein Drachenbauzelt und einen Drachendoktor, der bei kleinen Reparaturen am eigenen mitgebrachten Drachen hilft. Außerdem werden zahlreiche bis zu zehn Meter hohe Aeroskulpturen zu sehen sein, darunter eine überdimensionale Erde.

Mitveranstalter des Drachenfestes ist Flying Colors, das einzige Fachgeschäft für Drachen und Kiting-Bedarf in Berlin mit Sitz in Schöneberg. Hier bei Michael Steltzer, einem Urgestein im Drachensport, gibt es alles, was das Herz des Drachen-Fans höher schlagen lässt: Für den Anfänger oder Puristen die Einleiner, die – mit Ausnahme der so genannten Kampfdrachen – nicht lenkbare Grundform der Drachen. Dazu gehören unter anderem putzige Kinder- sowie Flach- und Kastendrachen in allen Regenbogenfarben. Bei den Mehrleinern ist die Auswahl noch ungleich größer. Mit ihnen kann der Pilot den Drachen Loopings, Winkel, Schrauben oder andere Figuren fliegen lassen, bei Wettbewerben können derzeit über 150 offizielle Figuren geflogen werden.

Diese Lenkdrachen verkaufen sich am meisten und es gibt sie in allen Preiskategorien von 15 bis zu über 1000 Euro. Da sie je nach Größe und bei starkem Wind sehr viel Zug entwickeln, ist einiges an Kraft nötig, um den Drachen auf Kurs zu halten und um im Extremfall nicht mit davongetragen zu werden. – Ein guter Grund für Vater oder Mutter, dem Nachwuchs beim Familienausflug die Leinen schnell mal aus der Hand zu nehmen. Zum Wohle des Kindes natürlich. Nicht etwa, weil es um das eigene Vergnügen geht.

 Eva Kalwa

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