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Berlin: Letztes Mittel: Betteln von Kindern verbieten

Politiker überlegen, wie den organisierten Banden beizukommen ist. Bremen hat die Bettelei 1994 untersagt

Die Koalitionsfraktionen von SPD und PDS wollen das Problem der bettelnden Kinder in der Innenstadt erstmal durch Jugend- und Sozialarbeit angehen, statt sofort zu polizeirechtlichen Maßnahmen zu greifen. In dieser Richtung äußerten sich am Donnerstag die innenpolitischen Sprecherinnen der Regierungsfraktionen Heidemarie Fischer (SPD) und Marion Seelig (PDS).

„Da muss etwas gemacht werden“, sagte Fischer. Jeden Tag sehe sie in der Müllerstraße, wie Frauen und Kinder zum Betteln missbraucht würden. „Die sitzen da und bitten um Geld – und in Abständen kommt eine männliche Person und nimmt es ihnen weg.“ Die Frauen und Kinder würden „fast wie Sklaven gehalten“, von organisierten, osteuropäischen Banden, denen das Handwerk gelegt werden müsse. Fischer habe bereits mit ihrem Parteifreund Innensenator Ehrhart Körting über das Problem gesprochen. Die CDU-Fraktion will zunächst die Rechtslage prüfen; für ihren rechtspolitischer Sprecher Michael Braun aber ist klar: Das muss beendet werden.

„Aggressives Betteln“, bei dem Passanten bedrängt oder genötigt werden, gilt in Berlin bereits heute als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung und kann von der Polizei unterbunden werden. „Stilles Betteln“ dagegen ist seit 1974 bundesweit nicht mehr verboten. Im Falle von Minderjährigen kann die Polizei bestenfalls aus Jugendschutzgründen einschreiten. Sie dem Kindernotdienst zu übergeben aber scheitert meist, weil die Sorgeberechtigten sofort auftauchen, wenn die Polizei erscheint. Und das Verbot der Kinderarbeit ist, wie berichtet, nach Auffassung des Arbeitsschutzamtes auch nicht einschlägig, da Kinder ihren Eltern helfen dürften.

Nun denken weder Fischer noch Seelig daran, Betteln generell als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung zu sanktionieren. Sie verweisen auf die Erfahrungen von Hamburg und Köln. Dort seien Jugendhilfeeinrichtungen, Sozialarbeiter und die Sinti-und-Roma- Vereine eingebunden worden, die sich durch „aufsuchende Sozialarbeit“ vor Ort um die Kinder und ihre Familien kümmerten. Die Vereine der Sinti und Roma gelten Fischer auch in Berlin als erste Ansprechpartner.

Einen anderen Weg ist Bremen gegangen: Dort wurde 1994 unter dem Eindruck zunehmender organisierter Bettelei mit und von Kindern ein Gesetz zum Schutz der öffentlichen Ordnung erlassen, in dem es explizit heißt: „Das Betteln in Begleitung von Kindern oder durch Kinder ist untersagt.“

In Berlin müsste dazu nach Auffassung der Innenverwaltung nicht einmal ein Gesetz erlassen werden, da das Berliner Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (Asog) den Begriff der öffentlichen Ordnung bereits kennt, der in Bremen erst eingeführt wurde. Die Innenverwaltung hält es auch rechtlich für vertretbar, das Betteln von oder mit Kindern als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung zu werten. Damit die Polizei tätig werden kann, müsste der Innensenator jedoch eine Anweisung erteilen, der zufolge bettelnde Kinder als Verletzung der öffentlichen Ordnung zu gelten haben.

Für Marion Seelig von der PDS kann solch ein generelles Bettel-Verbot für Minderjährige aber nur das letzte Mittel sein, wenn das „weiche“ Vorgehen mit Gesprächen und Sozialarbeit nicht fruchtet. „Wir haben hier in Berlin doch auch viele Straßenkinder, die tatsächlich nur für sich betteln. Die würden wir dadurch doch auch treffen.“

Holger Wild

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