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Berlin: Lichtenberg: Wieder kauen, sprechen - und lächeln

"Ich mache es so," sagt Hanna Koisman. "dass niemand mit Schmerzen weggeht und alle Patienten zufrieden sind.

"Ich mache es so," sagt Hanna Koisman. "dass niemand mit Schmerzen weggeht und alle Patienten zufrieden sind." So hält es die aus der Ukraine stammende Zahnärztin seit anderthalb Jahren. Es kommen immer mehr zufriedene Patienten. Zuerst waren es fünf an einem Öffnungstag in der Woche, jetzt sind es bis zu 25 an fünf Tagen. Die Zahnarztpraxis am Bahnhof Lichtenberg ist die einzige Praxis Deutschlands, in der Obdachlose und andere Menschen ohne Krankenversicherung kostenlos behandelt werden. Träger ist die Gesellschaft MUT, eine Tochter der Ärztekammer Berlin.

Im Wartezimmer sitzt Helmut. Der 48-Jährige lächelt mit geschlossenem Mund. Noch fehlen ihm fast alle Zähne im Oberkiefer. Hanna Koisman hat sie ihm ziehen müssen. In der nächsten Woche soll er eine Prothese bekommen. Eine ganz einfache, mit der er wieder kauen, sprechen und lächeln kann. Gespendet wird sie von einer Initiative Berliner Zahntechniker. Als Helmut vor fünf Monaten zum ersten Mal in die Praxis kam, war nicht mehr viel zu retten. "Zwanzig Jahre nicht beim Zahnarzt gewesen", sagt der Mann. Wer auf der Straße lebt, traut sich nicht mehr zu einem normalen Zahnarzt, selbst wenn er versichert ist, erklärt MUT-Sprecherin Angelika Patkovszky.

Alkoholismus, mangelnde Körperpflege - das passt nicht in ein elegantes Wartezimmer. So denken auch die meisten Zahnärzte. Die Zahnärztekammer aber organisiert seit 1999 Sachspenden für die Lichtenberger Praxis und Urlaubsvertreter für Dr. Koisman. Kürzlich hat die Kammer das Berliner Hilfswerk Zahnmedizin gegründet, das Geld- und Sachspenden für die Praxis sammelt.

Das Projekt "MUT Gesellschaft für Gesundheit", das am Bahnhof Lichtenberg und am Ostbahnhof auch zwei allgemeinärztliche Praxen für Obdach-, Wohnungslose und betreibt, gerät trotz des ärztlichen Engagements immer wieder in finanzielle Schwierigkeiten. Zuletzt stand die Zahnarztpraxis vor dem Aus. Sie überlebt bislang vor allem von Zuschüssen des Bezirksamts Hellersdorf, des Arbeitsamts Mitte und des Landes Berlin. Wegen der Haushaltssperre sollten jetzt der Landeszuschuss gestrichen werden, jährlich 50 000 Mark für die Zahnärztin und eine Helferin. Beide werden seit Oktober 2000 in einer Strukturanpassungsmaßnahme des Arbeitsamtes gefördert, das die Sozialverwaltung mitfinanziert. Gestern gab es grünes Licht für ein weiteres Jahr Förderung. Sozialsenatorin Gabriele Schöttler habe ihre Sparauflagen in anderen Bereichen erfüllt, sagte ihr Sprecher.

Helmut hat jetzt nicht nur die Sache mit seinen Zähnen in Angriff genommen. Wenn die Prothese eingepasst ist, habe er den ersten Vorstellungstermin als Heizungsinstallateur. "Nun ist man einmal gestrandet, aber das muss ja nicht gleich jeder sehen", sagt er.

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