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Hoffen auf den Zuschlag. Die Lichtenberger Initiative „Kultwache Rathausstern“ möchte das Grundstück eines landeseigenen Unternehmens an der Rathausstraße 12 kaufen. Geplant sind Kita, Wohnungen, Gärten, Ateliers. Foto: G. Moritz

© Georg Moritz

Liegenschaftspolitik: Lichtenberger wollen verlassene Polizeiwache übernehmen

Eine Lichtenberger Initiative fühlt sich durch das neue „Kater Holzig“-Projekt "Holzmarkt" ermutigt – und könnte zum Präzedenzfall für neue Liegenschaftspolitik werden. Auf dem Gelände einer alten Polizeiwache planen sie Wohnungen, Ateliers, Gärten, Café.

Es keimt Hoffnung in der Berliner Kreativszene. Vielleicht kann Berlin doch noch vor dem Schicksal von London und Paris bewahrt werden, Städte, in denen es für Kunst- und Spaßexperimente, für Stadtgärten und Wohnprojekte keinen Raum mehr gibt. An der Holzmarktstraße an der Spree in Friedrichshain hat sich gerade erst eine Genossenschaft aus Barbetreibern, Querdenkern und alternativen Architekten gegen eine klassische Immobilienentwicklung durchgesetzt, und der Senat will solchen Projekten künftig Vorrang einräumen, auch wenn sie, anders als am Holzmarkt, nicht den höchsten Kaufpreis bieten.

Das erste Objekt, das nach den neuen Kriterien der Liegenschaftspolitik vergeben werden könnte, ist ein 6000 Quadratmeter großes Grundstück in der Rathausstraße 12 in Lichtenberg, wenige hundert Meter östlich des Bahnhofs Frankfurter Allee. Das Areal mit einer seit Februar leerstehenden Polizeiwache gehört der landeseigenen Immobilienmanagement GmbH (BIM). Der Liegenschaftsfonds soll die Fläche nun verkaufen, wie eine BIM-Sprecherin bestätigte. Offenbar soll mit dem Erlös der Neubau der Polizeiwache in der Nöldnerstraße finanziert werden. Am 17. Oktober berät der Steuerungsausschuss des Liegenschaftsfonds über das Vergabeverfahren. Bisher üblich waren Bieterverfahren zum Höchstpreis – so wurde auch das BSR-Grundstück an der Holzmarktstraße an die Schweizer Stiftung Abendrot vergeben. Künftig soll ein sogenannter Portfolioausschuss mit Vertretern aus Bezirken und Fachverwaltungen darüber entscheiden, ob ein Grundstück höchstbietend verkauft wird oder wegen seiner Bedeutung für die Stadtentwicklung nach der Güte des eingereichten Konzeptes vergeben wird, über einen Verkauf oder eine Erbpacht.

Die Lichtenberger Initiative „Kultwache Rathausstern“ hofft auf eine Direktvergabe der Fläche an der Rathausstraße zum Verkehrswert, also maximal 1,4 Millionen Euro, sagt Aktivist Norman Ludwig. In der Initiative haben sich Anwohner, Studenten und junge Familien zusammengeschlossen. Sie planen Neubauten und eine Umgestaltung der leerstehenden Polizeigebäude. Entstehen sollen eine Kita, Gemeinschaftsgärten, Kiezcafé, Bibliothek, Projekt- und Seminarräume sowie Ateliers und günstiger Wohnraum für rund 100 Menschen. „Wir sind noch in der Planung“, sagt Ludwig. „Wir wollen etwas verändern im Kiez und Wohnraum dem Privatmarkt entziehen.“ Mit im Boot ist der Kitaträger Till Eulenspiegel und das „Mietshäuser-Syndikat“, das Miteigentümer wäre. Ludwig rechnet mit einer Gesamtinvestition von 4,5 Millionen Euro, das Projekt soll sich über die Mieten und Kredite finanzieren. Die „Kultwache“ weiß den Bezirk hinter sich. „Ich unterstütze das Projekt außerordentlich. Am liebsten wäre mir eine Direktvergabe an die Initiative“, sagt Lichtenbergs Immobilienstadtrat Andreas Prüfer (Linke).

Der Senat will sich genau anschauen, was ihm wichtiger ist: das Geld oder das Konzept.

Er habe Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD), Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für die SPD) und Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) gebeten, „dem nackten Bieterverfahren ein Konzept entgegenzusetzen“. Im Steuerungssausschuss am 17. Oktober will Prüfer für die Initiative werben. Es gebe allerdings noch andere „Interessenten mit ähnlichen Ideen, die aber noch nicht so ausgereift sind“ sowie Bieter aus dem Wohnungsbau. Aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung heißt es, man müsse sich genau anschauen, ob man auf Maximaleinnahmen zugunsten eines Projekts verzichten wolle.

Beim Verkauf des Holzmarkt-Grundstücks in Friedrichshain sind nach Tagesspiegel-Informationen mehr als zehn Millionen Euro für die beiden insgesamt rund 18 000 Quadratmeter großen Grundstücke geboten worden. Die konkurrierenden Gebote sollen nur gering voneinander abgewichen haben.

Der unterlegene Bieter, Abris Lelbach von der Berliner Elpro GmbH, will das Verfahren nicht anfechten, zweifelt aber an der wirtschaftlichen Tragfähigkeit des Konzeptes der Holzmarkt-Genossenschaft. Lelbach erklärte, er habe sich nur für das südliche Grundstück beworben. Dort gebe es erhebliche Altlasten durch den Betrieb eines ehemaligen Gaswerks. Auch nach der laufenden Sanierung bleibe das Grundstück nur beschränkt nutzbar, deshalb habe er sein Kaufangebot im Verfahren „korrigiert“.

Dadurch kam die alternative Genossenschaft „Holzmarkt“ zum Zuge, darunter auch die Macher des Clubs Kater Holzig. Sie wollen einen alternativen Kiez mit Club, Hotel, Gewerbe, Kita und Park aufbauen. Zudem plant die Initiative „Eckwerk“ ein Technologiezentrum und studentisches Wohnen. Rund 50 Millionen Euro sollen investiert werden. „Auf 30 000 Quadratmeter Fläche werden sich Startups und Technologieunternehmen ansiedeln und gleichzeitig etwa 400 Wohneinheiten entstehen“, sagt Eckwerk-Sprecher Andreas Steinhauser, Gründer des Startups „txtr“ und des Kartendienstes „Gate5“, der von Nokia übernommen wurde.

Käufer des Holzmarkts-Areals ist eine Schweizer Pensionskasse, die anthroposophisch ausgerichtet ist und 2010 schon das Studentendorf Schlachtensee übernommen hat, um es per Erbpacht an die Betreibergenossenschaft weiterzureichen. Auch am Bau eines Studentendorfes in Adlershof hat sich die Pensionskasse beteiligt.

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