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Berlin: Lindner kann mehr

Der Berliner FDP-Fraktionschef greift die Bundesspitze seiner Partei an – und die schlägt hart zurück

Von Sabine Beikler

Martin Lindner hat es schon nicht leicht: Trotz populistischer Forderungen zur städtischen Kleiderordnung im Sommer („Lieber nackte Busen als dicke Bäuche“) kennt nicht einmal jeder fünfte Berliner den FDP–Fraktionschef. Das haben Meinungsforscher von Infratest dimap in einer Ende August veröffentlichten Umfrage im Auftrag von Tagesspiegel und RBB festgestellt. Jetzt gibt sich Lindner als seriöser Politiker, attackiert die eigene Partei in einem Positionspapier namens „Die FDP kann mehr!“ – und was passiert? FDP-Präsidiumsmitglied Uwe Döring nennt einzelne Kritikpunkte „widerwärtig“, FDP-Bundeschef Guido Westerwelle bezeichnet Lindners Papier gar als „ziemlich dünn“ und perspektivlos. „Wenn man über Jahre seinen Erfolg in der BZ feiert, dann entsteht irgendwann die Sehnsucht, auch bundesweit wahrgenommen zu werden“, heißt es hämisch aus der Spitze der Bundespartei. Dabei wollte Martin Lindner doch nichts weiter als eine „längst überfällige Debatte“ über die künftige Richtung der Liberalen anstoßen. Sagt er.

„Die Zeit“ veröffentlichte in dieser Woche Lindners elfseitiges Papier in Auszügen. Darin wirft der FDP-Fraktionschef seiner Partei Ängstlichkeit, Oberflächlichkeit und vor allem Klientelpolitik vor, statt eigene Reformvorstellungen klar und deutlich zu vertreten. „Die FDP begreift sich als Reformpartei. Dann muss sie das aber auch schlüssig argumentieren“, fordert Lindner und macht den „Geruch des Klientelismus“ an mehreren Punkten fest. Beispiel Öffnungsklausel: Wenn sich die FDP schon „zu Recht“ für Öffnungsklauseln in Tarifverträgen einsetzt, dann müsse das auch für den öffentlichen Dienst gelten. Eine Öffnungsklausel im Beamtenrecht wird allerdings von der FDP-Bundestagsfraktion und einer Reihe von Landtagsfraktionen abgelehnt. „Nur aus Angst davor, Wählerstimmen aus der Beamtenschaft zu verlieren“, sagt Lindner, der sich auf Landesebene schon immer für eine solche Öffnungsklausel ausgesprochen hat.

Als weiteres Beispiel nennt der Liberale das Festhalten der FDP am Meisterbrief als Voraussetzung dafür, sich selbstständig zu machen und Angestellte zu beschäftigen. Das sei eine „mittelalterliche Position“, nur um sich nicht mit der Handwerkslobby anzulegen. Lindner will den Meisterbrief nur als Qualifikationsnachweis erhalten.

Er ärgert sich über die „Ängstlichkeit“ der Parteispitze, die sich in der „Irak-Frage“ herauszuwinden versucht habe. Er ärgert sich auch über die „Oberflächlichkeit“ der Partei: „Wenn die FDP-Spitze fordert, die Kultusministerkonferenz abzuschaffen, dann muss sie auch über eine Verfassungsänderung diskutieren und keine Scheindebatte führen“, sagt Lindner. „Wir müssen mehr riskieren.“

Dass er die Parteispitze vor der Veröffentlichung seines Papiers nicht informiert haben soll, weist Lindner zurück. Er habe seine Positionen vor Arbeitskreisen der Bundestagsfraktionen oder auf Konferenzen dargestellt. Warum er aber nicht mit Westerwelle selbst darüber gesprochen hat, versteht die FDP-Spitze nun gar nicht. Beide hätten „regelmäßig in den letzten Wochen Kontakt gehalten, als es um die FDP-Position zur RAF-Ausstellung ging“, heißt es.

Will er sich also doch nur profilieren? Bundespolitische Ambitionen hegt Lindner nicht, sondern will der Landespolitik „über 2006 hinaus“ treu bleiben. Er hat eine Nachfolge des im nächsten Jahr aus dem Amt scheidenden Landeschefs Günter Rexrodt nie ausgeschlossen. Inzwischen unterstützen mehrere FDP-Kreisvorsitzende eine Kandidatur Lindners. Viele Liberale können auch seine Kritik am FDP-Kurs gutheißen. Dennoch wisse man, heißt es aus der Landesspitze, dass er eben ein ausgeprägtes „Geltungs- und Profilierungsbedürfnis“ habe.

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