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Berlin: Love Parade: Saturiertheit contra Surrealismus - Jan Czybullka stylt Raver für den Tag der Tage

Im Big-Brother-Boom schaute zu, als Jürgen Zlatko die Haare schnitt. Ein Jahr davor provozierte er seine Kunden mit Frisuren frei nach Guildo Horn.

Im Big-Brother-Boom schaute zu, als Jürgen Zlatko die Haare schnitt. Ein Jahr davor provozierte er seine Kunden mit Frisuren frei nach Guildo Horn. Und zur Love Parade ist Jan Czybullka eben der Raver-Frisör. Sein Credo: Alles Mitnehmen, frei nach Rockefeller. "Check you hair for Love Parade" prangt poppig am Schaufenster. Davor ein Metallmann nach Tacheles-Machart, mit einer Kleinharke als Zahnersatz. Die Techno-Tänzer kommen in dritter Generation.

Zum Beispiel die 17-jährige Christiane aus Hohenschönhausen, die sich zur lieblichen Märchenprinzessin fönen lässt. und die entsprechende Musik bevorzugt. Gar nicht ravermäßig, das Haar, viel zu lang. Christiane lässt nur eine Treppensträhne zu und ein paar chilifarbene Tigerstreifen, auftoupieren, das muss reichen. Antje, die "Hairstylistin", rät zu einem blauen Blouson, aber Christiane muss erstmal abklären, was die Clique so anlegt. Andere lassen sich Fische in die Nackenhaare rasieren, Spotlight-Farben einmassieren oder Blümchenclips anlegen. Frisörmeister Czybullka hat sich auf die Kundenwünsche eingestellt. Schablonen zum Figurensprayen liegen bereit. Ein Stammkunde fährt nur mit passendem Ortslogo in den Skiurlaub, manchmal auch mit Schweizer Fahne und Milka-Kuh.

Czybullkas Laden atmet den Goldhauch der 20er Jahre. Original erhaltene Frisierkommoden mit Marmorauflagen, "Imperial" nennt sich das Familienunternehmen, und etwas Luxus auf dem Kopf lässt sich die Kundschaft eine paar Mark mehr kosten. Das Geschäft in der Berliner Straße liegt in Pankow, der Bürgersteig davor in Prenzlauer Berg. Hier prallen die bürgerliche Saturiertheit der Pankower und der schrille Surrealismus der Prenzlauer Berger aufeinander - dabei kommt es zu einem ökonomisch fruchtbaren Kulturaustausch.

Frau Braun, Buchhalterin aus Blankenfelde, hat eine Stunde in der S-Bahn gesessen, um sich hier ravemäßig aufpeppen zu lassen. Totaler Typwechsel vom voluminösen Lockenkopf zur eng anliegenden Kurzhaarfrisur.Jetzt kann sie guten Gewissens und mit ihrer Tochter zur Parade pilgern.

loy

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