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Luxushotels: Königlich durch die Krise

Immer mehr Luxushotels kämpfen um Kundschaft. Das sichert den Gästen erstklassigen Service bei weiter sinkenden Preisen.

Wer als Gast den im Ritz-Carlton üblichen Champagner mehrfach verschmäht hat und lieber Cola trinkt, findet am nächsten Tag einen Limonaden-Vorrat in seiner Zimmerbar. Sein Bett wird nach rechts aufgeschlagen sein, wenn er bisher immer auf der rechten Seite geschlafen hat. Vielleicht bemerkt er es nicht einmal. Er weiß nur, dass er gern hier ist. Wie der Schauspieler Jophi Ries, der auch während dieser Berlinale selbstverständlich im Ritz wohnt. "Die sind so was von freundlich und liebevoll, ohne dass es aufgesetzt wirkt", sagt er. "Und ich glaube, man wird nirgendwo so gut massiert wie in deren Wellnessbereich."

In Krisenzeiten wird solcher Service für edle Hotels richtig wichtig. Erst recht, wenn immer mehr Häuser um eine zunehmend verunsicherte Kundschaft konkurrieren. Während die Berliner Hotellerie in diesem Jahr die 100.000-Betten-Marke knacken wird - vor 15 Jahren waren es nicht einmal halb so viele - und am Zoo das Waldorf-Astoria in die Höhe wächst, beginnen die Preise wieder in Richtung jenes Niveaus zu fallen, das als ruinös galt - und als überwunden.

Werbung mit den relativ günstigen Berliner Preisen

Eine Viertelmillion Berliner arbeiten in der Tourismusbranche im weitesten Sinne. Bei den noblen Hotels geht es auch um Arbeitsplätze wie den von Lydia Schutz. "Manager Guest Recognition", steht auf ihrer Visitenkarte. Gästewiedererkennungsmanagerin. Sieben Mitarbeiter umfasst diese Heinzelmännchenabteilung im Ritz. Allein: Sie will bezahlt werden, wie 243 weitere Kollegen auch. 14 500 Euro pro Nacht für das gerade eröffnete 285-Quadratmeter-Appartement (inklusive Miet-Bentley und Butler) sind die eine Sache. 95 Euro für ein Zimmer im ebenfalls noblen Schweizerhof an einem Saure-Gurken-Wochenende zwischen Berlinale und ITB die andere.

Die Stadtmarketinggesellschaft BTM will den Billigtrend nicht befördern, aber ab sofort noch offensiver mit den relativ günstigen Berliner Preisen werben. Viel Metropole fürs Geld, laute die neue Botschaft, die man "der Welt in geeigneter Weise kund tun" wolle, sagt BTM-Chef Burkhard Kieker. Laut einer Studie kostete ein Durchschnittszimmer mit vier bis fünf Sternen 2007 in London 345 Euro. Paris (329), Mailand (297), Barcelona (217), Rom (204) sowie Amsterdam und Madrid (je 174) waren günstiger, aber die 138 Euro von Berlin blieben ungeschlagen. Erst 2008 begann sich die Schere zu schließen, weil die anderen die Preise kräftig senkten, während das Berliner Niveau konstant blieb. Kiekers Fazit lautet deshalb: "Wir werden die Krise besser überstehen als andere. Denn hier hat sich eine Liga von durchtrainierten Überlebenskünstlern gebildet, die ihre Kostenstrukturen dank härtester Bedingungen im Griff haben. Und das Niveau ist mit den vielen modernen Häusern klasse."

Das Estrel in Neukölln ist eine Alternative

Aus Sicht von Stammgästen klingt das so: "Das Frühstück ist traumhaft", sagt eine Unternehmensberaterin, die über Monate im Hilton wohnt. "An den Wochenenden zu Hause verzichte ich mittlerweile aufs Frühstück, weil es im Vergleich enttäuschend ist." Und ein Schweizer Manager, der sich werktags oft im Grand Hyatt einquartiert und nur übers Wochenende nach Hause fliegt, stellt fest: "Die Wäsche, die ich freitags im Zimmer lasse, finde ich montags nicht bei den Fundsachen, sondern gewaschen und gebügelt im neuen Zimmer vor."

Die so Gepriesenen entwickeln verschiedene Rezepte für harte Zeiten. Hyatt-Sprecherin Kerstin Riedel berichtet von zwei Allianzen: "Berlin exklusiv" nennt sich der Zusammenschluss eines guten Dutzends feiner Hotels, die vor allem ausländische Besucher mit perfektem Service "zu fairen Preisen" anlocken wollen. Die 95 Euro des ebenfalls beteiligten Schweizerhofs dürften damit allerdings kaum gemeint gewesen sein. Die Anlieger des Potsdamer Platzes werben zudem mit ihren vereinten Kapazitäten: Auch mehr als 5000 Menschen können zeitgleich in bester Lage tagen.

Eine etablierte, jedoch in Neukölln gelegene Alternative für Großveranstaltungen ist das Estrel mit seinen 1125 Zimmern. Sprecherin Michaela Djuranovic sagt: "Bisher kommen wir gut klar." Preissenkungen plane man nicht, aber der Service sei wichtiger denn je: "Wir leben bei Veranstaltungen, Shows und Hotelbetrieb von Mund-zu-Mund-Propaganda."

Um die Touristen fürchten die Hotels nicht

Während Veranstaltungen oft mehr als ein Jahr im Voraus geplant werden, buchen auch Geschäftsleute neuerdings kurzfristiger. Oder eine Klasse tiefer als bisher. Für den in allen Kategorien vertretenen Accor-Konzern zähle vor allem, die Kunden wenigstens im Unternehmen zu halten, sagt Vorstandsmitglied Daniela Schade. Also Ibis statt Mercure oder Sofitel. Und dank eines vereinheitlichten Abrechnungssystems werde Firmenkunden neuerdings viel Papierkram erspart.

Ein anderes Phänomen ist wohl der Pharmabranche geschuldet: Als die die Wirkung ihrer Opulenz fürs Image begriff, begann sie, Fünf-Sterne-Hotels zu meiden. In der Folge gaben mehrere Edelhäuser ihre vom Hotel- und Gaststättenverband verliehenen Sterne zurück und sind nun nicht mehr offiziell klassifiziert.

Um die Touristen fürchten die Hotels zurzeit noch am wenigsten. Zwar heißt es etwa im Adlon, dass speziell die Buchungen von Amerikanern nachgelassen hätten. Aber nach der Leichtathletik- WM im August zeichnet sich in der Branche das 20. Jubiläum des Mauerfalls bereits als das Großereignis ab. Also werden Pakete geschnürt, die beispielsweise beim Hotel de Rome eine privat geführte Mauerradtour enthalten. Und für Menschen, die bereits alles gesehen haben, hat der Ritz-Carlton-Konzern ein Konzept entwickelt, das erst allmählich von Amerika nach Europa schwappt: "Give back Getaways", die im Fall Berlins bedeuten, dass man tagsüber ehrenamtlich im Kinderhospiz Sonnenhof der Björn-Schulz-Stiftung renovieren hilft und abends glücklich und zufrieden ins perfekt präparierte Ritz-Bett fällt. Gegen reguläre Bezahlung, versteht sich.

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